Hilfe für Kinder auf dem Weg in ein neues Leben

von Redaktion

Die Diagnose einer chronischen Krankheit wie beispielsweise Typ-1-Diabetes ist für jeden zunächst ein Schock. Besonders für Kinder kann da die Rückkehr in einen geregelten Alltag zur Herausforderung werden. Aber in der Region gibt es Helferinnen, die diesen Weg erleichtern.

Rosenheim – Kohlenhydrate berechnen, BE-Faktoren kennen, Insulin spritzen, Blutzuckerwerte ständig im Blick behalten, Unterzucker und Überzucker behandeln, Sensoren und Katheter wechseln: Was klingt wie ein Vollzeitjob, leisten Typ-1-Diabetiker tagtäglich. Und das neben ihrem normalen Alltag, wie ihn jeder andere auch meistert. Dass das am Anfang, also kurz nach Diagnosestellung, durchaus überfordernd sein kann, ist klar. Besonders wenn man bedenkt, dass sich die Autoimmunkrankheit meist im Kindes- oder Jugendalter bemerkbar macht.

„Sorgen dafür, dass
es daheim gut läuft“

Heißt also: In der Regel ist diese Diagnose für Kinder, Eltern und auch die Geschwister eine große Herausforderung. Besonders dann, wenn es nach unzähligen Schulungen mit vielen neuen Informationen zurück aus der Klinik in den Alltag geht. Damit die Betroffenen und deren Angehörige damit nicht alleine sind, gibt es den Bunten Kreis Rosenheim. Dieser ist seit dem Jahr 2018 bei der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München im Zentrum Südostoberbayern angegliedert.

„Wir sorgen dafür, dass es daheim gut läuft, wenn Kind und Eltern wieder zurück nach Hause gehen”, erklärt Barbara Haneberg, Leitung des Bunten Kreises in Rosenheim, im OVB-Interview. Dabei kümmern sich Haneberg und ihr Team nicht nur um Kinder mit Typ-1-Diabetes. Im Jahr 2024 begleiteten die Betreuerinnen insgesamt zehn „neue“ Typ-1-Diabetiker-Kinder in ihr neues Leben. Die übrigen 74 Familien wurden aus anderen Gründen von den Mitarbeitern im Bunten Kreis betreut. Darunter zum Beispiel Frühgeborene unter der 28. Woche, Kinder mit Herzerkrankungen, Kinder mit genetischen Defekten und Tumorerkrankungen. Und auch ME/CFS (Myalgische Encephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom) ist in den vergangenen Jahren immer häufiger geworden. Alle im Nachsorge-Team des Bunten Kreises sind ausgebildete (Kinder)-Krankenschwestern. „Wir haben schon sehr erfahrene Schwestern. Aber natürlich müssen auch wir uns in verschiedene Krankheitsbilder immer wieder neu einlesen”, erklärt Haneberg.

Doch was sind die Dinge, die den Eltern am meisten Sorgen bereiten? Darauf hat Christiane Schulz, die im Bunten Kreis seit rund zwölf Jahren hauptsächlich Kinder mit der Diagnose Typ-1-Diabetes betreut, eine klare Antwort: „Kindergarten und Schule, also die externe Betreuung”. Also: Wie macht man das, wie kann man das organisieren, wer schult Erzieher und Lehrer, braucht man eine Schulbegleitung? All das sind Fragen, die sich nicht pauschal beantworten lassen.

Um Erzieher und Lehrer auf die „Rückkehr“ des Kindes vorzubereiten, organisiert der Bunte Kreis auch die Schulung des Personals. „Viele haben Angst, dass sie etwas falsch machen. Die müssen wir ihnen nehmen und auch deutlich machen, dass sie nichts Medizinisches machen müssen“, macht Schulz deutlich. Bei Kindern mit Typ-1-Diabetes werde etwa erklärt, dass Eltern auf den Brotzeitdosen vermerken werden, wie viel Insulin für das Essen gespritzt werden soll. Die Aufgabe von Erziehern und Lehrern ist es dann nur noch, entweder die Zahl einzugeben, oder zu kontrollieren, dass das Kind alles richtig gemacht hat.

„Jede Familie ist anders und das ist es, was diesen Job so spannend und toll macht“, sagt Schulz. Die große Kunst ihrer Arbeit sei es, den Familien zuzuhören, was sie brauchen und gemeinsam Lösungen zu finden. Klar ist für Schulz aber auch: „Typ-1-Diabetes ist ein 24/7-Job. Das darf man nicht vergessen. Natürlich wird es leichter, aber die Krankheit bleibt. Und damit muss man lernen, umzugehen.“ Und es ist nicht nur das Medizinische, bei dem Schulz hilft. Nein, sie bereitet die Familien auch auf Reaktionen aus der Außenwelt vor. Da vielen Menschen der Unterschied zwischen der Autoimmunkrankheit Typ-1-Diabetes und der Stoffwechselkrankheit Typ-2-Diabetes nicht bewusst sei, müssten sich besonders Eltern oftmals blöde Sprüche anhören, berichtet sie. „Da kommen dann auch mal Sätze wie ‚Hast du deinem Kind halt zu viel Zucker gegeben‘“, sagt Schulz. Und genau hierauf versucht sie die Eltern vorzubereiten und ihnen klarzumachen, dass sie keine Schuld an der Erkrankung ihres Kindes tragen.

180 Entscheidungen mehr pro Tag

Besonders stolz sei Schulz, wenn sie bemerke, wie die Kinder und ihre Familien in die Aufgaben mit der neuen Krankheit hineinwachsen. Denn leicht ist das nicht. Eine Studie der Stanford Universität aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes pro Tag rund 180 Entscheidungen treffen, die ihre Krankheit betreffen. Also etwa, wie viel Insulin sie spritzen müssen oder ob sie nun etwas essen sollten, weil der Blutzucker nach unten geht. Es sind unzählige Dinge, die entweder die Kinder selbst, oder deren Eltern tagtäglich bewältigen müssen. 

„Wenn wir uns mehr zurückziehen können und die Familien den Alltag wieder stemmen, das freut mich wirklich jedes Mal”, schildert auch Barbara Haneberg. Sei es nun bei Kindern mit Typ-1-Diabetes oder anderen Krankheiten wie etwa Mukoviszidose. Die Nachsorge durch den Bunten Kreis sorgt dafür, dass sich die Familien auch außerhalb der Klinik nicht alleingelassen fühlen, einen Ansprechpartner haben und ihre Sorgen aus dem „neuen” Alltag loswerden können.

Fachbegriffe erklärt: Das ist der Unterschied zwischen Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes

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