Rathauschef fordert Rücksichtnahme

von Redaktion

Interview Oberbürgermeister Andreas März äußert sich zu den Vorwürfen der Radler

Rosenheim – Rosenheims Radler sind unzufrieden. Sie kritisieren, dass der Radverkehr in der Stadt keine Priorität hat. Kein Verständnis für diese Aussage hat Oberbürgermeister Andreas März. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen zeigt er auf, was schon alles getan wurde – und wieso manche Dinge länger brauchen.

Sie sind selbst immer wieder mit dem Fahrrad unterwegs. Fühlen Sie sich sicher?

Ja. Ich bin aber auch, denke ich zumindest, ein vorsichtiger Verkehrsteilnehmer und bestehe beispielsweise nicht auf rechts vor links, sobald es gefährlich werden könnte.

Wie bewerten Sie generell die Lage für Radfahrer?

Die Situation für die Radfahrer in Rosenheim ist meiner Überzeugung nach nicht so schlecht, wie sie von manchen Leuten immer wieder dargestellt wird.

Fast jeder fünfte Rosenheimer ist mit dem Fahrrad unterwegs. Das ist ein guter Wert. Auch wenn wir unser Ziel von einem Radverkehrsanteil von 25 Prozent in dieser Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr ganz schaffen werden.

Trotzdem wurde einiges getan.

Ja, davon bin ich überzeugt. Bei unseren Planungen und Überlegungen, was die Mobilität in Rosenheim betrifft, berücksichtigen wir immer alle Verkehrsteilnehmer. Die Zeiten, in denen wir uns nur aufs Auto fokussiert haben, sind schon lange vorbei.

Auch dank des Radentscheids?

Alles, was wir in Rosenheim für den Radverkehr und die Radfahrer getan haben, hätten wir auch ohne den Radentscheid gemacht. Schon alleine deshalb, weil sich die Straßenverkehrsordnung geändert hat, was beispielsweise die Breite von Radwegen und die Sicherheitsabstände angeht. Wir hätten die Situation für die Radfahrer auch ohne den Radentscheid verbessert.

Welche Maßnahmen würden Sie besonders hervorheben?

Da ist sicherlich der Brückenberg. Hier wurde die Verkehrsführung auch zum Vorteil der Radfahrer verändert. Derzeit läuft unsere Großbaustelle an der Mangfallkanalbrücke. Bisher haben sich Fußgänger und Radfahrer einen Hühnersteig geteilt, das wird sich in Zukunft ändern. Wir planen eine Unterführung, die deutlich breiter ist. Zudem haben wir Hunderte von Fahrrad-Abstellanlagen gebaut – größtenteils auch überdacht.

Hört sich nach einer ganzen Menge an.

Nicht vergessen darf man auch die Markierungsarbeiten, wie beispielsweise Piktogrammketten. Auch eine Einbahnstraßenregelung für Radfahrer haben wir an manchen Stellen eingeführt. Ob das immer so eine gute Idee ist, kann ich jedoch nicht abschließend sagen. Zudem geht der erste Abschnitt unseres Fahrradstraßenkonzepts in der kommenden Woche in der Eichfeldstraße los.

Die Mitglieder des Fahrradbeirats befürchten, dass das nicht viel bringen wird.

Es handelt sich sicher nicht um eine hochbelastete Verkehrsstraße. Aber die Eichfeldstraße ist in der Verlängerung mit der Leitzachstraße ein Teil dieses Konzepts.

Folgen weitere Fahrradstraßen?

Ja, zudem wollen wir einige Lücken im Fahrradnetz schließen. Beispielsweise an der B15, wenn man von Raubling kommt. Auch für die Pürstlingstraße haben wir Pläne, dort soll das neue Kinderhaus gebaut werden. Wir haben viele Ideen, noch nicht alles wurde umgesetzt. Das ist immer eine Frage der Priorisierung und Finanzierung.

Im Bürgerbegehren „Radentscheid Rosenheim“ wurde klar formuliert, dass die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um die Ziele zeitnah umzusetzen. Kritik gibt es daran, dass genau das eben nicht passiert.

Das würde ich so nicht stehen lassen. Seit Ende 2024 gibt es im Tiefbauamt zwei Verkehrsplaner, die gab es vorher nicht. Personell haben wir also aufgestockt. Die finanziellen Ressourcen sind eine Sache des Stadtrats, der den Haushalt bestimmt und das Investitionsprogramm festlegt. In einem Haushaltsjahr haben wir 40 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung. Nun könnten wir davon natürlich die Hälfte in Straßen und das Verkehrsnetz investieren.

Aber?

Dann würden eben Schulen, Kultureinrichtungen und Sportstätten auf der Strecke bleiben. Wir können unsere finanziellen Ressourcen nicht nur einer Gruppe von Verkehrsteilnehmern zur Verfügung stellen. Das halte ich für falsch.

Können Sie nachvollziehen, warum die Mitglieder des Fahrradbeirats so unzufrieden sind?

Nein. Ich würde mir wünschen, dass auch wahrgenommen wird, dass wir in den zuständigen Gremien über diese Themen bereits diskutieren. Aber es ist eben immer eine Abwägung zwischen dem, was finanzierbar – und was, in welcher Zeit umsetzbar ist. Ich erinnere nur an die vielen Tiefbaumaßnahmen im vergangenen Jahr. Da gab es viel Kritik seitens der Bürger. Zu viele gesperrte Straßen sind nicht zumutbar.

Der Radverkehr ist also auf der Prioritätenliste nicht ganz unten, wie vom Fahrradbeirat kritisiert?

Das mag ich eigentlich nicht kommentieren. Eine Interessenvertretung hat natürlich nur ihr Eigeninteresse und ihre eigenen Forderungen mit einer eigenen Prioritätenliste im Blick. Ich und meine Kollegen in der Stadtverwaltung müssen aber das große Ganze sehen.

Was hat der Radentscheid Ihrer Meinung nach bewirkt?

Sicherlich, dass wir in den politischen Gremien öfter über das Thema sprechen.

Ein großes Thema, weshalb Projekte nicht umgesetzt werden können, ist das Geld. Warum hat sich die Stadt 2021 nicht an dem Förderprogramm des Bundes beteiligt, bei dem Maßnahmen rund um das Rad mit 80 Prozent gefördert wurden.

Das ist damals an dem engen Zeitplan gescheitert – von der Veröffentlichung des Förderprogramms bis zu den fertigen Planungen, um die Fördergelder abzurufen.

Ein Vorschlag vom Fahrradbeirat, wie man Vorhaben ohne bauliche Maßnahmen lösen könnte: den Autofahrern eine Spur wegnehmen.

Ja, in der Theorie ist das eine einfache Lösung, weil es sich bloß um Markierungsarbeiten handelt. Aber man darf nicht vergessen, welche Auswirkungen das auf die Verkehrsströme hätte. Eine solche Regel wird zu Ausweichverkehren führen. Wenn man eine Stelle sperrt, verlagert sich der Verkehr anderswohin. Einfache Lösungen gibt es nicht. Man muss immer die Konsequenzen berücksichtigen.

Ihnen gehört das letzte Wort.

Ich habe schon den Eindruck, dass es im Bewusstsein angekommen ist, dass es um Gleichberechtigung im Straßenverkehr geht. Aber das steht und fällt mit gegenseitiger Rücksichtnahme. Generell würde ich mir wünschen, dass in der Diskussion weniger aggressiv miteinander umgegangen wird. Die Bereitschaft, dem anderen einen Schritt entgegenzukommen, sollte da sein.

Interview: Anna Heise

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