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Junge Mädchen ohne Gynäkologen

von Redaktion

Kein Termin, keine Gesundheitsvorsorge, keine Beratung bezüglich Verhütung: Bei keinem Frauenarzt aufgenommen zu werden, kann weitreichende Folgen mit sich bringen. Warum die Lage hier so schwierig ist – und das besonders bei Teenagern zum Problem werden kann.

Rosenheim – „Sie sind noch keine Patientin bei uns? Dann kann ich Ihnen leider keinen Termin anbieten. Wir nehmen keine Neupatientinnen mehr auf.“ Sätze wie diese hört man bei der Suche nach einem Gynäkologen in Rosenheim bei den meisten Anrufen. Das berichtet auch die Rosenheimerin Eveline W., die sich für ihre 17-jährige Tochter auf die Suche nach einem Frauenarzt gemacht hat. Das Ergebnis: ernüchternd. Von fünf Ärzten hat niemand mehr neue Patientinnen aufgenommen. „Wir waren in diesem Alter damals alle schon einmal beim Frauenarzt“, berichtet sie. Heute sei das nicht mehr die Norm, wie sie auch aus dem Freundeskreis ihrer Tochter gehört hat.

Fahrt nach München
für Verhütungsmittel

Abseits der Gesundheitsvorsorge machen sich dann die meisten jungen Mädchen auf die Suche nach einem Gynäkologen, wenn es um das Thema Verhütung geht. Denn Präparate wie die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmittel sind verschreibungspflichtig. „Ich weiß auch von anderen Müttern, die mit ihren Töchtern dann zum medizinischen Dienst nach München gefahren sind, um sich dort die Pille verschreiben zu lassen“, berichtet W.

Doch warum ist es so schwer, hier an einen Frauenarzt-Termin zu kommen? „Die Terminlage ist deshalb so angespannt, weil gynäkologische Praxen ein konstant hohes Patientenaufkommen haben, während die personellen und zeitlichen Ressourcen begrenzt bleiben“, erklärt Dr. med. Klaus Doubek, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, auf OVB-Anfrage. „Praxen, die am Limit arbeiten, können aus Kapazitätsgründen schlicht keine neuen Patientinnen mehr aufnehmen, ohne die Versorgung der bestehenden Patientinnen zu gefährden“, sagt er außerdem. Es gehe also nicht um mangelnden Willen, sondern um Verantwortung gegenüber der Qualität der Versorgung.

„Pille danach“ als
regelmäßige Nothilfe?

Doch nicht nur die mangelnde Beratung kritisiert W.: „Wenn junge Mädchen dann sagen: ‚Dann gehe ich eben nicht hin, wenn ich keinen Termin bekomme, und verhüte stattdessen mit der Pille danach‘, weil es die ohne Rezept gibt, ist das wirklich traurig.“ Davor, die „Pille danach“ als regelmäßige Verhütungsmethode zu nutzen, warnen auch Experten eindringlich. „Ihr wiederholter Einsatz ist medizinisch nicht ratsam: Sie kann den Zyklus erheblich beeinflussen und bietet keinen zuverlässigen Schutz bei erneutem ungeschütztem Geschlechtsverkehr im gleichen Zyklus“, sagt die Frauenärztin Dr. Stephanie Eder.

Dass junge Mädchen zur „Pille danach“ greifen, weil die Wahl eines Verhütungsmittels als aufwendig oder unklar empfunden wird, zeige, dass Handlungsbedarf bestehe. Hürden müssten abgebaut werden – durch altersgerechte Aufklärung, Angebote in Schulen und leichteren Zugang zur frauenärztlichen Beratung, beispielsweise durch Mädchensprechstunden. „Verhütung ist mehr als Produktauswahl. Sie erfordert individuelle, fachärztliche und empathische Begleitung, besonders für junge Frauen, die gerade erst anfangen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Eder.

Eine dieser Mädchensprechstunden entdeckte auch Eveline W. bei ihrer Recherche. Am Telefon wurde ihr allerdings gesagt, dass diese aufgrund der hohen Anzahl an Patienten derzeit nicht durchgeführt werden könne. Ihre Tochter ist nun bei einem Arzt außerhalb Rosenheims untergekommen. Besonders für junge Mädchen, die nicht mobil sind, ist das allerdings kaum eine Option.

Ruf nach Klarheit aus
der Berliner Politik

Klar ist: Die Lage ist verzwickt und es braucht eine Veränderung. Die muss aber von der Politik angestoßen werden, betont Doubek. „Die Entwicklung ist stark von der konsequenten Umsetzung der geplanten Reformen der neuen Bundesregierung abhängig“, sagt er. Der Koalitionsvertrag setze wichtige Impulse im Gesundheitswesen, wie die Sonderstellung der Gynäkologie beim verbindlichen Primärarztsystem sowie die Stärkung und Sicherung der ambulanten Versorgung. 

Termin-Frust beim Frauenarzt – Was kann man tun?

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