Rosenheim – Mit Geräuschen in die Freiheit – in der Vetternwirtschaft zeigte das Junge Theater Rosenheim (JTR) am Freitagabend die Premiere von „Tschick“ als Livehörspiel. Die Produktion basiert auf dem Roman von Wolfgang Herrndorf in der Bühnenfassung von Robert Koall und wird künftig auch an Schulen im Landkreis gezeigt, wie uns Erster Vorstand Andreas Schwankl berichtet.
Regisseurin Florentine Klepper hat sich gemeinsam mit Benedikt Zimmermann (Tschick) und Andreas Schwankl (Maik) für eine minimalistische, aber hochpräzise Form entschieden. Bühne und Kostüm sind reduziert, der Klang dagegen entfaltet sich als eigene Erzählspur. Mit analogen und digitalen Mitteln, Alltagsgegenständen und Musikelementen entsteht ein akustischer Raum, der weit mehr leistet als reine Illustration.
Das Sounddesign ist dabei nicht bloß Begleitung, sondern zentrales Gestaltungselement. Ein Eimer Wasser wird zum See, in den die Figuren eintauchen. Das dumpfe Splittern einer Wassermelone imitiert die Geräusche brechender Äste oder Knochen. Raschelndes Papier, Metallklänge und Stimmen in Überlagerung erzeugen Landschaften, Bewegung, Wetter. Diese Geräuschentwicklung geschieht sichtbar auf der Bühne, wodurch das Publikum die Entstehung von Klang und Atmosphäre direkt mitverfolgt.
Die Handlung bleibt nah an der Romanvorlage. Maik, dessen Mutter in einer Entzugsklinik ist und dessen Vater mit der Assistentin auf Geschäftsreise geht, bleibt allein zurück. Dann taucht Tschick auf – ein Junge mit russischen Wurzeln, unangepasst, mit Vergangenheit. Gemeinsam brechen sie in einem gestohlenen Lada auf, Richtung Transsylvanien. Der Weg wird zur Metapher: für Freiheit, Grenzüberschreitung und das Erwachsenwerden.
Zimmermann und Schwankl führen das Publikum mit großer Konzentration durch diesen akustischen Roadtrip. Sie wechseln präzise zwischen Figuren, Erzählebenen und Geräuschgestaltung. Das Publikum wird einbezogen, aber nie überfordert. Die Offenheit der Form erlaubt, dass sich Bilder im Kopf der Zuschauer bilden – eine Qualität, die das Livehörspiel besonders macht.
Das Junge Theater wird außerdem mit „All das Schöne“, ein Stück über Depression beim Chiemgauer Kinder- und Jugendtheaterfestival vertreten sein, das Mitte Oktober in Prien und Rimsting stattfindet. Dort zeigt sich, wie vielfältig und professionell junge Theaterarbeit in der Region inzwischen geworden ist.
Mit Tschick ist dem Jungen Theater ein überzeugender Saisonauftakt gelungen – präzise in der Sprache, klug im Konzept, und mit einem Sounddesign, das hörbar macht, wie stark Theater sein kann, wenn es die Fantasie des Publikums ernst nimmt. Susanne Grun