Rohrdorf – Im Jahr 1765 ist die alte Rohrdorfer Pfarrkirche abgebrannt, aber erst 1825 ist die heutige geweiht worden. Warum so spät? Und was war in den 60 Jahren, die dazwischen lagen? Am Samstag wurden diese Fragen neben vielen anderen bei zwei Führungen durch Bürgermeister Simon Hausstetter beantwortet. Und deshalb darf man annehmen, dass viele der Rohrdorfer, die dann am Sonntag gekommen waren, um am Festgottesdienst zum 200-jährigen Weihejubiläum von Sankt Jakobus teilzunehmen, ihre Kirche mit ganz anderen, ganz neuen Augen sahen.
Brandursache nach
wie vor nicht geklärt
Als die Kirche 1765 abbrannte, war sie erst 42 Jahre zuvor mit großem Aufwand barockisiert worden. Weshalb keinerlei Geld da war, um jetzt einen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Eine ernsthafte Überlegung war es deshalb sogar, das mit der Rohrdorfer Kirche einfach sein zu lassen und den Pfarrsitz nach Neubeuern zu verlegen. Dass das nicht geschah, ist dem Rosenheimer Pflegskommissär Ignaz Gottlob Wetzstein zu verdanken. Einen Pflegskommissär muss man sich, so erklärte Bürgermeister Simon Hausstetter, als eine Art Landrat und Finanzherr in Personalunion vorstellen.
Und Wetzstein trat nachdrücklich für den Wiederaufbau ein. Übrigens: Ob am Brand tatsächlich die Pfarrersköchin schuld war, die die Pfanne mit dem im Fett schmurgelnden Schmalzgebäck ins Feuer kippte, oder ob das nur eine Erzählung ist, weiß man nicht. Sicher ist aber, dass der Brand vom Pfarrhaus ausging.
1769 war dann die Finanzierung so weit geklärt, dass man mit den Bauplanungen beginnen konnte. Die waren von vornherein als „Sparplanung“ ausgelegt, erstellt vom Münchner Hofmaurermeister Leonhard Matthäus Gießl. Immerhin: Der hatte unter anderem den Bau des Münchner Cuvilliés-Theaters geleitet, war also ein Mann von hervorragendem Ruf.
Allerdings folgte der Kirchenbau aus Geldmangel nur in Etappen, das Erste, das aufgebaut wurde, noch bevor die Planungen überhaupt fertiggestellt wurden, waren Turm und Sakristei.
Die Sakristei, die nicht völlig zerstört war, wurde wieder zusammengeflickt, damit man überhaupt Gottesdienste abhalten konnte. Und der Turm war nicht, wie man heute denken könnte, ein Accessoire, auf das man zunächst hätte verzichten können.
Denn im Turm hängen die Glocken, von denen zumindest eine, die Apostelglocke, schon 1766, also nur ein Jahr nach dem Brand gegossen worden war: Die Glocken waren, man muss sich daran erinnern, damals im Grunde der einzig verlässliche Zeitgeber und auch dort zu hören, wo die Turmuhr nicht gesehen werden konnte.
Dass die Apostelglocke den letzten Krieg überlebt hat – man hatte sie zum Einschmelzen bereits aus dem Turm geholt – ist dem Mut von vier Höhenmooser Bürgern zu verdanken, die sie kurzerhand in einer winterlichen Nacht- und Nebelaktion entwendeten. Und die Tatsache, dass weder das Glockenversteck noch die Glockendiebe aufgedeckt wurden, ist eben ihrer Höhenmooser Herkunft zu verdanken. Denn, so erklärt Simon Hausstetter, Gestapo und SS suchten zwar fieberhaft nach der Glocke und denen die sich durch den Diebstahl gegen das Regime aufgelehnt hatten. Aber sie suchten eben in Rohrdorf und nicht in Höhenmoos, das damals ja eine eigene Gemeinde war und auch eine eigene Kirche hatte.
In der Kirche selbst ging der Ausbau nur Schritt für Schritt voran, und der zog sich bis Ende der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts hin: Erst nach dem Krieg malte Cajetan Dreißer, der derzeit Thema einer großen Ausstellung im Rathaus ist, die Gemälde an der Empore und über den Seitenfenstern. Und die Deckengemälde stammen ebenfalls erst aus dem letzten Jahrhundert, aus den 20er-Jahren. Was auch erklärt, dass auf dem größten Bild ein Sturmgeschütz und eine Bayernfahne zu sehen ist.
Das Gemälde zeigt nämlich eigentlich die Schlacht beim spanischen Clavigo im Jahr 844, bei der der heilige Jacobus geholfen haben soll, die Mauren zu besiegen. Weil aber der Rohrdorfer Veteranenverein zu den entscheidenden Geldgebern zählte, konnte er sich ausbedingen, dass unter den Kämpfern – in der Kleidung und mit den Waffen der Zeit um 844 – eben auch das Sturmgeschütz zu sehen ist: der Erste Weltkrieg war ja gerade erst vorbei.
Auch mit dem Altar, beziehungsweise den Altären, ging es nur stückweise voran. Am Anfang wurden sie einfach ausgeliehen, aus Neubeuern und Attl. Warum diese Kirchengemeinden Altäre zu verleihen hatten, erklärte Simon Hausstetter in seiner Führung so: Wenn das jeweilige Kircheninnere dem Zeitgeschmack angepasst wurde, wenn sie etwa barockisiert wurden, wurden auch die Altäre ausgetauscht, die dann sozusagen übrig waren und eben auch verliehen werden konnten.
Den heutigen Hochaltar bekam Sankt Jakobus aus Hall in Tirol. Dort wurde 1788 ein Damenstift aufgelöst und der Altar war somit für Rohrdorf frei. Allerdings musste er, um überhaupt in die Rohrdorfer Kirche zu passen, gekürzt werden. Und bei genauer Betrachtung sieht man ihm auch an, dass er wirklich auf den Zentimeter genau an seinen heutigen Platz eingefügt ist.
Doch der Bau allein macht noch kein Gotteshaus, zur echten Kirche wird es erst durch die Menschen, die in ihr zusammenkommen. Das zeigte sich schon am Samstagnachmittag bei den Konzerten der Rohrdorfer Blasmusik und des Liederkranzes und der sich daran anschließenden Abendbesinnung: Hier war nicht nur zu hören und zu sehen, sondern auch zu spüren: Eine Kirche ist ein Ort der Gemeinschaft. Und besonders deutlich wurde es noch einmal beim feierlichen Festgottesdienst und da nicht zuletzt in vielen Kleinigkeiten: etwa als Pfarrer Tobias Pastötter sich im Namen des Seelsorgeteams dafür bedankte, „dass wir mit Ihnen diesen Festtag feiern dürfen.“
Auf ihre Weise
ganz besonders
Viele Rohrdorfer dürften sich nach diesem Wochenende Bürgermeister Simon Hausstetter anschließen, der meinte, dass die Kirche vielleicht nicht die allerprächtigste sei, aber doch auf ihre eigene Weise ganz besonders schön, auch wenn diese Überzeugung natürlich in jeder Gemeinde vorherrsche. In Sankt Jakobus aber werde ein jahrhundertelanges Zugehörigkeitsgefühl der Rohrdorfer zu ihrem Kirchenbau augenfällig und nachvollziehbar: „Man hat immer wieder drangestückelt, ausgeliehen, zugekauft, weitergebaut – es ist ein wirklich lebendiger Bau und vielleicht deshalb doch einer der schönsten.“