Rosenheim – Viel Schlaf haben die Mitglieder der Partei „Die Linke“ nicht bekommen. Stundenlang waren sie in der Nacht auf vergangenen Montag unterwegs, um leerstehende Häuser zu plakatieren. 20 allein in Rosenheim. „In Stadt und Landkreis Rosenheim stehen über 5000 Wohnungen leer, mehr als die Hälfte davon seit mehr als einem Jahr“, sagt Martin Bauhof, Landessprecher der Linken.
Zahlreiche Plakate
angebracht
Er hat an diesem Vormittag gemeinsam mit Hannah Rohs und Maria Boberschmidt zum Pressetermin eingeladen, vor dem ehemaligen Hotel „Goldener Hirsch“ in Rosenheim. Schon Stunden vorher brachten sie Plakate mit der Frage „Warum stehen hier Wohnungen leer?“ an dem Gebäude an. „Viele Investoren lassen die Häuser mit Absicht leer stehen, weil sie zu hohe Renditeerwartungen haben. Damit muss Schluss sein“, kritisierte Bauhof.
Gebäude bereits vor
Monaten verkauft
Was die Linken zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu wissen schienen: Das Gebäude an der Münchener Straße wurde schon vor einigen Monaten an drei junge Männer aus dem Landkreis verkauft. „Das Timing war etwas unglücklich“, sagte Marinus Kritzenberger. Er hat das Gebäude, gemeinsam mit zwei Freunden, gekauft und die Firma „RMS40“ gegründet. Sie wollen das ehemalige Hotel im Bestand sanieren und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Umso weniger Verständnis hat Kritzenberger für die Aktion der Linken. „Wir haben das Gebäude ja nicht gekauft, um es weiter vergammeln zu lassen“, sagt der neue Eigentümer. Aber ein solches Haus wieder instand zu setzen, sei eben auch keine leichte Aufgabe. „Derzeit sind wir mit der Statik beschäftigt. Das ist gerade die größte Herausforderung“, sagt er.
Auch Marinus Kritzenberger war an diesem Vormittag vor Ort. Er suchte das Gespräch und hörte sich die Argumente der Linken an. Sein Fazit: „Die Ansichten sind zum Teil weltfremd. Es war eine recht sinnfreie Diskussion.“ Ähnlich äußerte sich Arno Mühlhausen. Er ist der Bevollmächtigte des ehemaligen Eigentümers des „Goldenen Hirschs“. Viele Jahre habe er nach einem „anständigen Käufer“ gesucht, der aus der Region kommt, das Gebäude erhalten und Wohnraum schaffen will.
„Unsinnige
Veranstaltung“
„Lange hat niemand Interesse gezeigt“, sagt Mühlhausen. Bis jetzt. Umso „unsinniger“ sei die Veranstaltung der Linken. Als Reaktion auf die Plakataktion der Linken schnitt er den Zeitungsartikel aus, in dem über die Pläne der drei neuen Eigentümer berichtet wurde, und klebte sie über die Plakate der Linken.
„Wir freuen uns, dass die neuen Eigentümer an die Öffentlichkeit getreten sind, um Klarheit zu schaffen, wie es mit dem Gebäude nun weitergehen soll. Wir freuen uns, dass die Rosenheimer sich entschieden haben, das Problem selbst in die Hand zu nehmen, anstatt es großen Investoren zu überlassen“, sagte Hannah Rohs.
Aber, auch das machten die Linken an diesem Vormittag deutlich, Leerstände gibt es in Rosenheim nach wie vor. Um das Problem zu lösen, stellten sie eine Reihe von Maßnahmen vor. So forderten sie die Stadtverwaltung beispielsweise dazu auf, leerstehende Wohnungen systematisch zu erfassen. „Die Stadtwerke könnten die Stromzähler, die keinen Strom verbrauchen, an die Stadt melden“, schlägt Maria Boberschmidt, Kreisvorsitzende der Linken Rosenheim, vor.
Des Weiteren soll eine Steuer erhoben werden, wenn eine Wohnung für mehr als ein halbes Jahr nicht genutzt wird. Die Rede ist von einer sogenannten Leerstandsabgabe, die es bereits in einigen österreichischen Gemeinden gibt. In Tirol trat das Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabgabengesetz (TFLAG) am 1. Januar 2023 in Kraft.
Heißt im Umkehrschluss: Wenn Eigentümer ihr Eigentum absichtlich leer stehen lassen, müssen sie Geld an die Kommune bezahlen, ähnlich wie eine ortsübliche Miete. In der Gemeinde Ehrwald müssen Eigentümer für eine Nutzfläche von über 250 Quadratmeter beispielsweise 192,66 Euro im Monat bezahlen. Durch die anfallenden Kosten sollen die Häuserbesitzer motiviert werden, leerstehenden Wohnraum verfügbar zu machen, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken.
„Eine Leerstandsabgabe ist in Deutschland sehr unüblich, da es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht handelt“, sagt Christian Baab, Pressesprecher der Stadt Rosenheim. Gleiches gelte für die Ablesung der Stromzähler. Auch über eine Zweckentfremdungssatzung – wie sie von den Linken vorgeschlagen wurde – sei bereits diskutiert worden.
Kampf für Wohnraum
bleibt kompliziert
Für die Einführung einer solchen machte sich vor rund einem Jahr die Rosenheimer SPD stark – und scheiterte mit großer Mehrheit. Eine Zweckentfremdung liegt immer dann vor, wenn Eigentümer ihr Eigentum weder selbst bewohnen noch dauerhaft vermieten – und den Wohnraum stattdessen etwa leer stehen lassen oder unerlaubt als Ferienwohnung vermieten.
Die Verwaltung sprach sich damals klar gegen die Einführung einer kommunalen Zweckentfremdungssatzung aus. Eine Rolle bei der Argumentation spielte der Zensus 2022. Demnach liegt die Leerstandsquote in der Stadt Rosenheim bei 1,99 Prozent – die niedrigste der kreisfreien Städte in Bayern. Ganz anders die Situation in München.
Dort konnten allein im Jahr 2024 448 Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von insgesamt 27878 Quadratmetern vor einer illegalen Zweckentfremdung bewahrt und wieder dem allgemeinen Wohnungsmarkt zugeführt werden. Das teilt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage mit. Unter den 448 Wohnungen waren 202 Wohneinheiten, die zuvor leer standen. 137 wurden als Ferienwohnung und 109 Wohneinheiten für gewerbliche Zwecke genutzt.
„Explodierende Mieten“
sollen Thema bleiben
Für die Rosenheimer Linken sind diese Zahlen Beweis genug, dass etwas passieren muss. „Zur Kommunalwahl nächstes Jahr treten wir in ganz Bayern an und wir werden dafür sorgen, dass kein Bauausschuss tagt, ohne dass die explodierenden Mieten Thema sind“, verspricht Landessprecher Martin Bauhof.