Rosenheim/Oxford – Er stammt aus Rosenheim, hat in London Schauspiel studiert und als Schauspieler gearbeitet und jetzt in Oxford seinen Master in Filmästhetik absolviert: Der 27-jährige Schauspieler, Produzent und Regisseur Maximilian Stecher lebt heute in der traditionsreichen englischen Universitätsstadt – und erzählt im OVB von seinem Weg, seiner Arbeit und Sicht auf Kunst und Leben.
Was bedeutet Heimat für Sie – Rosenheim, London oder Oxford?
Rosenheim bleibt Heimat. Aber Oxford ähnelt Rosenheim. Auch hier gibt es Seen, Felder und Menschen, die etwas bewegen wollen. Nur ist es hier ganz selbstverständlich, Schauspieler oder Fechter zu sein. In Rosenheim ist das noch etwas Besonderes.
Wie haben Sie Oxford erlebt, als Sie zum ersten Mal dort waren?
Wie eine Stadt voller Ritterburgen! 42 Colleges, mittelalterliche Pubs, kaum Autos. Zeit hat hier eine andere Bedeutung, alles ist entschleunigt. Und die britischen Traditionen werden wirklich noch gelebt – seit 800 Jahren.
Sie haben dort die „Oxford Players“ gegründet. Wie kam es dazu?
Ich wollte nicht länger nur bei Produktionen mitwirken, sondern selbst etwas auf die Bühne bringen. Anfangs war es eine kleine Collegetruppe, dann kamen Profis aus London dazu. Heute ist es mehr ein Netzwerk, als eine feste Truppe – ich kann für jede Produktion das passende Team zusammenstellen.
Wie gelingt es Ihnen, die Balance von Studium, Regiearbeit und Schauspiel zu halten?
Balance gibt’s hier nicht. Eine 90-Stunden-Woche ist in Oxford völlig normal. Und wenn man dann noch eigene Projekte leitet, schläft man eben mal zwei Tage nicht. Aber ich mache das ja freiwillig. Nach Oxford geht man nicht nur zum Studieren – man ist hier, um etwas zu schaffen.
Trotz allem finden Sie Zeit für Sport. Warum ist Ihnen das wichtig?
Ich brauche körperlichen Ausgleich. Ich laufe, gehe bergsteigen und fechte – Letzteres, weil ich für Oxford gegen Cambridge antreten wollte. Wir haben sogar gewonnen. Diese Wettkämpfe sind für mich wie beim Theater: Es geht um Konzentration, Präzision und Mut, Grenzen auszuloten.
Ihr Studienfach zum Master heißt Filmästhetik. Was fasziniert Sie daran?
Es geht um Bildanalyse, Philosophie und Kunst – reine Theorie, aber sehr tief. Ich will kein oberflächliches Theater, das nur schön aussieht. Ich will, dass es berührt oder konfrontiert. Ich sage immer: „Polite is shite.“ Wenn eine Geschichte wahr ist, wird sie erzählt, auch wenn sie unbequem ist.
Sie haben in vielen Shakespeare-Stücken gespielt. Wie prägt das Ihre eigene Arbeit?
Im Globe Theater steht man auf einer leeren Bühne – ohne Kulisse, ohne Effekte. Alles entsteht aus Stimme und Seele. Diese Erfahrung prägt meinen Respekt vor Sprache und Reduktion. Theater funktioniert, wenn Wahrheit spürbar wird.
An wem orientieren Sie sich künstlerisch?
Der britische Schauspieler Morgan Watkins hat mich stark beeinflusst. Von ihm habe ich gelernt, Stücke immer wieder zu hinterfragen. Je mehr ich frage, desto weniger verstehe ich – und das ist gut so. Theater sollte keine fertigen Antworten liefern, sondern Denkprozesse auslösen.
Ihr erstes eigenes Stück beschäftigt sich mit Luzifer. Warum dieses Thema?
Mich interessiert die Ambivalenz dieser Figur. Im Alten Testament war Luzifer kein Böser, sondern ein prüfender Engel. Ich frage mich, was Freiheit eigentlich bedeutet, ob Wissen ein Geschenk oder ein Fluch ist. Das Stück wird ein klassisches Versdrama, inspiriert von Heidegger und Sophokles – es soll provozieren und zum Nachdenken anregen.
Wie kam es, dass Sie in Oxford aufgenommen wurden?
Während des Schauspielstreiks 2023 in London hatte ich plötzlich Zeit. Ich suchte spontan nach einem Masterstudium, fand Oxford – und bewarb mich am letzten Tag. Monate später kam die Zusage. Die Aufnahmezeremonie war auf Latein, sehr feierlich. Bald folgt meine Graduation, da freue ich mich schon sehr.
Was bedeutet Erfolg für Sie persönlich?
Erfolg ist, wenn ich weiter Geschichten erzählen darf. Das Schlimmste wäre, keine Stimme mehr zu haben – im übertragenen Sinn. Solange ich etwas erschaffen und mich entwickeln kann, bin ich erfolgreich.
Welchen Rat geben Sie jungen Schauspielern?
Nicht über Chancen nachdenken – das lähmt. Schreib Spielberg an, wenn du willst! Es gibt Geschichten, die nur du erzählen kannst. Und: Lies! Halte deine Fantasie lebendig, sie ist dein wichtigstes Werkzeug. Dann bist du auf dem richtigen Weg.
Susanne Grun