Vielfalt bauen – Nutzung zulassen

von Redaktion

„Architektouren“-Ausstellung in Rosenheim zeigt neue Möglichkeiten und Wege im Bestand

Rosenheim – „Vielfalt bauen“ – was heißt das überhaupt? Bauen ist immer Veränderung, liegt im Spannungsfeld vieler Faktoren, unterliegt eventuell denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen, muss sich an der Latte der Funktionalität messen lassen, hängt an den Zügeln schwankender Weltmarktpreise, ist oft Trends unterworfen und jeder Bau ist immer auch ein Spiegel der Zeit seiner Entstehung. Moderator Dr. Eric-Oliver Mader bezeichnete die Präsentation zweier prämierter Bauten durch ihre ausführenden Planer als „Steilvorlage“ für die anschließende lebhafte Diskussion: den „Flötzinger-Stadl“ in Rosenheim und die Priental-Halle in Aschau.

50 Projekte aus ganz
Bayern vorgestellt

„Vielfalt bauen“ hieß das Motto der diesjährigen „Architektouren“ und rund 200 Gebäude, Innen- und Freiräume hatte der Beirat in die Auswahl genommen – darunter 50 beeindruckende Projekte von staatlichen Bauämtern in Bayern. Zur Ausstellungseröffnung im Staatlichen Bauamt in Rosenheim war eine große Zuhörerschaft gekommen, die vor der traditionellen Podiumsdiskussion schon einen Blick auf die prämierten Objekte in der Ausstellung werfen konnte. Das Podium war hochkarätig besetzt mit der Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer Professorin Lydia Haack, der Leiterin des Staatlichen Bauamts Rosenheim, Baudirektorin Doris Lackerbauer, dem Bauforscher und Geschäftsführer von Kayser + Böttges + Barthel + Maus, Dr. Christian Kayser, dem Architekten und Geschäftsführer von SRW PLAN, Architekt Raphael Schulik und dem Architekten und Geschäftsführer von Kammerl & Kollegen, Eik Kammerl. Als Moderator fungierte Dr. Eric-Oliver Mader, Referent für Information und Kommunikation der Bayerischen Architektenkammer. Mader stellte fest, dass das staatliche Bauamt durch sein breites Aufgabenspektrum „prädestiniert ist“, um die Ausstellung zu präsentieren. Sein besonderer Dank galt Doris Lackerbauer als „Hausherrin“ und Ursula Lampe, der Pressereferentin, die die Podiumsdiskussion und die Expertenrunde organisiert hatte.

Nach der Vielfalt am Bau und insbesondere nach dem Bauen im Bestand gefragt, warf sich die Expertenrunde verbal die Bälle zu. Dr. Christian Kayser wies darauf hin, dass dem „Denkmal“ durch seine lange Existenz die „Vielfalt“ eingeschrieben sei, denn „es hat schon so viel erlebt“. Doris Lackerbauer stellte die Herausforderung an die geforderte oder überhaupt mögliche Nutzung in den Vordergrund und Professorin Lydia Haack pointierte: „Man muss neue Nutzung auch zulassen. Dann wird ein Gebäude auch länger und besser genutzt“, war sie überzeugt. Nachdem Haack unterstrichen hatte, dass „60 Prozent der Aufträge im Bestand“ (also schon bestehender Objekte) seien und sie über manche Bauvorschriften den Kopf schüttelte, blies Dr. Kayser ins gleiche Horn und betonte, dass „manche Normen ausgemustert werden sollten“ und Kammerl war sich sicher, „wir täten uns dann schon leichter“. Haack regte an, der „Gebrauchstauglichkeit“ einen höheren Stellenwert beizumessen. Als Beispiel nannte sie den „Mini-Riss“ im Mauerwerk, „der im Grunde überhaupt nichts ausmacht“. Manche Baustoffe, die in den 1970er-Jahren ihre Verwendung gefunden haben, seien heute nicht mehr nutzbar, „deshalb ist Materialkunde auch so wichtig“, unterstrich Haack. Sie merkte abschließend an, dass das Ringen um einen Konsens die Prozesse so „furchtbar langsam macht“.

Mit der Priental-Halle in Aschau und dem Flötzinger- Stadl wurden dem Publikum zwei namhafte Projekte vorgestellt, die die Teilnehmer der Architektentour 2025 mit den ausführenden Architekten im Sommer besichtigen konnten. Raphael Schulik konnte anhand der langwierigen Planungsphase der Multifunktionalen Mehrzweckhalle (einem Ersatz-Neubau) dokumentieren, welchen Sachzwängen ein Planer unterworfen sei. Als Ergebnis führte er die Zuhörerschaft bildlich durch die neue Priental-Halle, einem Bau, der schulisch genutzt werde, in dem die Vereine eine Heimat gefunden haben, der sich offen und „integrativ“ präsentiere und sich durch die Flexibilität der Räume auszeichne.

Wie die Priental-Halle, so sei auch der Flötzinger-Stadl mit einem besonderen Prädikat ausgezeichnet worden. Das reine Denkmal-Projekt unterlag zwingenden Rahmenbedingungen, die der Architekt Eik Kammerl anhand von Bildern anschaulich darstellte. Wirklich denkmalschutzrechtlich erhaltenswert sei nach Angaben Kammerls nur das Gewölbe im Erdgeschoss gewesen, das sich bautechnisch als Herausforderung entpuppte. Auch das Dachgeschoss des nur noch im Kern aus der ursprünglichen Bauzeit um 1799 stammenden Stadls sei „sehr kritisch“ gewesen.

Damit fiel das Gebäude aber nicht aus der Definition von Dr. Kayser, der zuvor festgestellt hatte, dass ein „Denkmal ein Gebäude mit Zusatzqualifikation“ sei. Die zwei oberen Geschosse seien „quasi Neubauten“, beschrieb Kammerl den „neu“ erstandenen Stadl, der nun als sehenswerter Eingang zur Loretowiese diene. Im Gewölbe ist nun ein gastronomischer Betrieb installiert. Neben Betriebsräumen und Lager, Sanitäreinrichtungen und zwei kleinen Mitarbeiterwohnungen ist im Dachgeschoss eine Studenten-WG mit sieben Zimmern integriert. Wer einen Blick auf die geglückten baulichen Herausforderungen der Architekten werfen will, hat dazu noch Gelegenheit.

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