Rosenheim – Es brodelt im Gesundheitswesen der Region. Die Schön-Klinik Vogtareuth schließt sechs Abteilungen. 200 Mitarbeiter werden entlassen. Und nun steht auch noch die große Klinikreform in den Startlöchern. Änderungen, die für Verunsicherung sorgen. Doch wie steht es um die Gesundheitsversorgung in der Region – und wo könnte die Reise künftig hingehen? Mit diesen Fragen hat sich Romed-Geschäftsführer Ulrich Schulze in seinem Vortrag „Gesundheitspolitik – Quo vadis?“ an der Technischen Hochschule in Rosenheim beschäftigt.
Schön-Klinik-Entschluss
lässt viele Fragen offen
„Wir haben in Deutschland schon ein hochfunktionales, hochwertiges und gutes Gesundheitssystem, das ist gar keine Frage“, stellte er vor dem Vortrag gegenüber dem OVB klar. „Besondere Stärke ist die Zugänglichkeit. Jeder Mensch in Deutschland hat Zugang zu unserer Gesundheitsversorgung“, ergänzt er. „Aber wir haben auch mit das Teuerste im europäischen Vergleich.“ Die Reform ziele nun darauf ab, über eine Konzentration von Krankenhäusern und Leistungen, eine Qualitätsverbesserung und auch eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
Wirtschaftlichkeit: Das soll nach Angaben der Klinik-Geschäftsführung auch in Vogtareuth der Grund für die Auflösung diverser Fachzentren gewesen sein. Doch genau solche Entscheidungen sorgen auch dafür, dass Verunsicherung in der Bevölkerung entsteht. Kann ich im Notfall noch zeitnah gut versorgt werden? Wie weit muss ich künftig fahren, um spezielle Behandlungen zu erhalten? Wo sitzen dann die Experten, die sich mit meiner Erkrankung auskennen? Es sind Fragen, die bisher so leicht nicht zu beantworten sind.
„Für uns ist es wichtig, dass wir regional präsent sind“, betont Schulze. „Dass wir an allen unseren Standorten die Notaufnahme vorhalten. Dass wir die Kernleistung auch in der Fläche anbieten und an den einzelnen Romed-Standorten eine Spezialisierung vornehmen.“ Durch diese Spezialisierung soll künftig auch eine entsprechend hohe Expertise und Kompetenz vorhanden sein.
Doch wie steht es nun um die in Vogtareuth wegfallenden Bereiche? „Wir decken ganz viele Leistungsbereiche, die in Vogtareuth wegfallen, im Romed-Verbund ab.“ So beispielsweise die Neurochirurgie und die Wirbelsäulenchirurgie. In diesen Bereichen werde man die Kapazitäten nun erweitern. Bei anderen, hochspezialisierten Bereichen, wie etwa der Herzchirurgie, fänden derzeit noch Diskussionen im Hintergrund statt.
Regionale Präsenz – aber
nicht in allen Bereichen
Details dazu nannte Schulze nicht. „Das ist aber so ein kleines und spezialisiertes Fach, dass wir davon ausgehen, dass da die Versorgung dann in München angeboten wird.“
Hochspezialisiert ist auch die „Jerwa“ in Vogtareuth. Diese Station hat sich auf die Behandlung von jungen Erwachsenen mit schweren Mehrfachbehinderungen spezialisiert. Ein in Deutschland einzigartiges Konzept – und für die Betroffenen und deren Familien ein echter Segen. Doch auch diese Station möchte man in Vogtareuth zum Jahresende schließen. Da dieses Projekt so einzigartig ist, stellt sich die Frage, ob man die „Jerwa“ nicht an einer anderen Klinik – etwa bei Romed – weiterführen könnte. Hier muss Schulze allerdings bremsen: „Wir bringen in vielen Bereichen die Strukturen und die personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen nicht mit.“ Schließlich sei die „Jerwa“ eine Art „Mittelding zwischen Krankenhausleistung und einer Einrichtung für mehrfach Schwerbehinderte“. Er hoffe, dass man in Vogtareuth doch noch eine Lösung findet, um die „Jerwa“ zu erhalten.
Klar ist also: Man kann nicht alles, was nun in Vogtareuth wegfällt, bei Romed auffangen. Und auch das Auffangen von bestimmten Bereichen stellt das Romed-Personal teils vor Herausforderungen, wie Dr. Andreas Bauer, Chefarzt der Anästhesiologie und der Operativen Intensivmedizin, bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an Schulzes Vortrag erklärt. „Mit dem Vorlauf von drei Monaten ist das eine unkontrollierte Veränderung, auf die wir reagieren müssen“, sagt Bauer. „Das war ein Paukenschlag in der Region – auch für uns.“ Man könne den Verlust in den Bereichen Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie ein wenig auffangen. „Dafür müssen wir uns aber strecken und unsere Kapazitäten ein wenig umgestalten.“ Dann könne man sagen, dass die Versorgung in diesen Bereichen im Landkreis sichergestellt ist. Dass andere Bereiche – wie etwa die „Jerwa“ – aller Wahrscheinlichkeit zufolge wohl nicht von der Romed-Gruppe aufgefangen werden können, wird durch die Aussagen Schulzes deutlich. Dennoch lässt er es sich nach seinem Vortrag nicht nehmen, die Presse dafür zu kritisieren, auf die Sorgen der Betroffenen aufmerksam zu machen.
Schulze: „Haben da jetzt
keine Versorgungskrise“
„Die Presse spielt in diesen Themen sehr oft keine gute Rolle. Eine negative Schlagzeile verkauft sich halt besser“, sagt er. Die Situation in Vogtareuth würde völlig übertrieben dargestellt. „Das ist bedauerlich, aber wir haben da jetzt keine Versorgungskrise“, sagt Schulze. Man bemühe sich bei Romed, betont der Geschäftsführer. Die Sorgen der Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen und deren Familien, für die die „Jerwa“ in Vogtareuth endlich eine angemessene Behandlung bedeutete, bleiben.