Schüler erleben Notfallmedizin hautnah

von Redaktion

Im Romed-Klinikum Rosenheim werden täglich Menschen operiert, Krankheiten behandelt und Leben gerettet. Doch was genau bedeutet das eigentlich? Ein Blick hinter die Klinik-Türen zeigt, welche komplexen Dinge hier vor sich gehen.

Rosenheim – Der Patient muss reanimiert werden. Er liegt im Krankenbett am Romed-Klinikum Rosenheim vor der stellvertretenden Stationsleitung Stefanie Müller. Sie verschränkt die Hände übereinander und drückt fest auf den Brustkorb. Immer wieder, im Rhythmus von „Highway to Hell“ von AC/DC. Ihr Patient wird aber allen Bemühungen zum Trotz wohl nicht zum Leben erwachen, denn es handelt sich ausnahmsweise um eine Puppe, die hier auf der operativen Intensivstation liegt.

Müller steht an diesem Vormittag gemeinsam mit einer anderen Mitarbeiterin und Oberarzt Dr. Martin Dunker (Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin) vor einigen Jugendlichen. Sie gehören zu den etwa 80 Schülern aus verschiedenen Rosenheimer Schulen, die einen Einblick in die Arbeit im Krankenhaus bekommen sollen. Und dazu gehört auch die Reanimation.

Gehirn kann nicht lange
ohne Sauerstoff

„Dieser ‚Patient‘ hier ist auf der Straße zusammengebrochen, sein Herz ist stehen geblieben“, erklärt Oberarzt Dr. Martin Dunker mit einem Blick auf die Puppe im Krankenhausbett. Sie simuliert einen virtuellen Patientenfall: einen 50-jährigen Radfahrer, der stürzte und jetzt nicht mehr atmet. Und dann wird es ernst. „Das Hirn hält es nicht lange ohne Sauerstoff aus“, betont Dunker. Denn wenn das Herz nicht mehr schlägt, gelangt auch kein Sauerstoff mehr zum Gehirn. „Nach wenigen Minuten sterben die ersten Nervenzellen ab.“

„Nur zehn Prozent der Menschen, bei denen eine außerklinische Reanimation erforderlich ist, überleben“, betont Stefanie Müller. Drei bis fünf Minuten habe man Zeit, sonst können irreparable Schäden am Gehirn entstehen. Der Krankenwagen brauche jedoch im Durchschnitt acht bis neun Minuten, um zum Patienten zu kommen. Manchmal sogar noch länger. „Deshalb ist es wichtig, dass auch Laien handeln“, betont Müller.

Und das tun sie. Die Schülerinnen ziehen sich Handschuhe über und legen an der Puppe selbst Hand an. „Das ist ja richtig anstrengend“, sagt eine von ihnen, während sie energisch immer wieder auf das sogenannte Brustbein drückt. So kann das Herz im echten Notfall wieder zum Schlagen gebracht werden. Diese Herz-Druck-Massage ist laut Stefanie Müller der wichtigste Teil der Reanimation.

Kleinstarbeit im
Herzkatheterlabor

Ob das Herz richtig funktioniert, das überprüfen bei Romed die Mitarbeiter der Kardiologie-Station unter Chefarzt Prof. Dr. Christian Thilo. Bevor er die Schüler an diesem Vormittag ins Herzkatheterlabor führt, gibt er ihnen noch einen wichtigen Hinweis mit: „Wem schlecht wird, der soll sich melden. Es kann schon mal passieren, dass jemand umfällt.“

Denn die Aufgabe, die die Schüler heute im Labor übernehmen dürfen, hat es in sich. Vor ihnen auf dem OP-Tisch liegen verschiedene Schläuche und das Modell eines Herzens. Die Schläuche stellen die Arterien dar. „Mit einer Herzkatheteruntersuchung können wir herausfinden, ob sich ein Herzkranzgefäß verschlossen hat“, erzählt Dr. Jörg Meyer, Funktionsoberarzt auf der internistischen Intensivstation. Ist das der Fall, könne es zu einem Herzinfarkt kommen.

Für den Herzkatheter führen die Schüler heute selbst erst einen Draht in die Arterie ein und dann den dazugehörigen Katheter. Ganz so, wie es die Profis machen. „Jetzt spritzen wir Kontrastmittel durch den Katheter. Nicht erschrecken, es ist kein Blut, sondern nur Hagebuttentee“, sagt Meyer und übergibt einer Schülerin die Spritze. Es klappt, die Schläuche am Herzmodell füllen sich mit hellroter Flüssigkeit.

Das Herz kann auch mittels Ultraschall untersucht werden, wie Dr. Claudia Lueg, Fachärztin für Innere Medizin, an einem Romed-Mitarbeiter demonstriert. Der junge Mann liegt auf einer Liege, sie setzt mit dem Gerät direkt an seinem Herzen an. „Es geht schnell, man sieht sofort, was los ist. Außerdem ist es nicht schädlich, es gibt keine Strahlung“, betont Lueg. Auf dem Monitor des Ultraschallgeräts sieht man das Herz fleißig pumpen. Bei diesem „Patienten“ ist glücklicherweise alles in Ordnung.

Wenn der Schädel
geöffnet werden muss

Anders sieht es bei der Patientin aus, deren Beispiel die Schüler jetzt zu Gesicht bekommen. Dr. Charlotte Rüther, Chefärztin der Neuroradiologie, zeigt das Bild einer Computertomografie vom Kopf. „In der Computertomografie erkennt man einen weißen Rand, der das Gehirn umschließt – den Schädelknochen. Er schützt das Gehirn vor äußeren Einflüssen, etwa bei einem Schlag oder Sturz, definiert aber gleichzeitig eine vorgegebene Höhle“, erklärt Rüther. Das bewirke, dass sich das Gehirn im Falle einer Schwellung nicht ausdehnen kann. „Bei unserer Patientin kam es zu einer Blutung im Gehirn. Der Druck innerhalb des Schädels stieg dadurch stark an und das Hirngewebe wurde schwer eingeklemmt. In der Folge wurde der Blutfluss in das Gehirn unterbrochen und der Hirntod festgestellt“, so die Chefärztin.

„Wie wurde das dann behandelt?“, fragt eine Schülerin. „Eine Behandlung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, die Patientin kam unter laufender Reanimation und mit Zeichen eines ausgedehnten Hirnschadens in unsere Notaufnahme“, sagt Rüther. Manchmal können die Ärzte aber noch helfen, wie die Chefärztin betont. Dann muss bei den Patienten der Schädelknochen geöffnet werden, damit sich die Schwellung des Gehirns ausdehnen kann.

Messung
zeigt Hirnaktivität

In der Neurologie bleibt der Schädelknochen allerdings dort, wo er ist. Zumindest beim Besuch bei Dr. Johannes Lang, Oberarzt in der neurologischen Klinik. Er will den Schülern heute zeigen, wie eine Elektroenzephalografie (EEG) funktioniert. Eine Schülerin bekommt eine Haube mit Sensoren aufgesetzt, die ein wenig an ein Netz erinnert. Und schon erscheinen auf dem Monitor weiße Linien, die sich auf und ab bewegen. „Das EEG bildet die Hirnaktivität ab“, erklärt Lang. Für das Gehirn sei diese Messung nicht schädlich. „Im Falle eines Hirntods zeigt das EEG nahezu Nulllinien an“, so Lang.

In seinen Augen ist das eine Situation mit Licht- und Schattenseiten. „Hirntod heißt, dass ein Leben endet. Das ist tragisch und zugleich besteht die Möglichkeit, dass – durch die Transplantation der funktionierenden Organe – ein anderes Leben gerettet werden kann“, betont er.

Gerne würden auch noch andere Schüler ihre Hirnaktivität messen lassen. Doch die Zeit ist um und der Besuch im Krankenhaus neigt sich dem Ende zu.

Krankenhaus-Praktikum
steht hoch im Kurs

Aber vielleicht werden einige von ihnen bald wieder hier sein. Denn nach dem Blick hinter die Türen des Klinikums ist das Interesse an einem Praktikum groß.

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