Rosenheim – Der Schock ist den vier Frauen sichtlich anzusehen. Leicht zitternd stehen sie im Verkaufsraum der Römer-Apotheke an der Ebersberger Straße. Immer wieder schauen sich die Mitarbeiterinnen um, schütteln mit dem Kopf und seufzen. Um sie herum: die reinste Verwüstung. Überall liegen Glasscherben, zerbrochene Behälter von Cremes und Ölen, zerrissene Packungen von Medikamenten oder Teile der zerfetzten Regale. Ein Großteil der Fensterfront aus Sicherheitsglas ist über den Fußboden verteilt. In der Decke sind Risse zu erkennen, eine Wand der Apotheke ist komplett nach innen gedrückt.
Wirklich glauben, was vor wenigen Stunden passiert ist, kann noch keiner. „Das ist so surreal“, sagt eine der Mitarbeiterinnen, die lieber anonym bleiben möchten. Eigentlich sei es am gestrigen Montag bis dahin ein normaler Vormittag gewesen. Zwei von ihnen hätten gerade am Verkaufstresen gestanden und Kunden beraten, die anderen sieben hätten im hinteren Teil Büroarbeit gemacht oder die Regale eingeräumt. Plötzlich hätte es einen „extrem lauten Knall“ gegeben.
„Es war wie eine Gasexplosion, etwas vergleichbar Lautes habe ich noch nie gehört“, sagt eine Mitarbeiterin, die mit vorne stand. Im nächsten Moment sei ihr auch schon das Glas der Fensterfront entgegengeflogen. Kurz darauf seien sämtliche Regale zusammengebrochen, die Zwischenwand zum Medikamentenlager in Stücke gerissen worden und aus allen Ecken der Apotheke Schreie zu hören gewesen. Erst als sich der Staub ein wenig lichtete, war klar, was passiert ist: Mitten in der Apotheke stand ein dunkler Mercedes.
Wie Polizeihauptkommissar Robert Maurer später mitteilt, habe eine 59-jährige Frau gegen 10.25 Uhr beim Rückwärts-Einparken an den Parkplätzen vor der Apotheke plötzlich Vollgas gegeben und sei in Folge mit dem Heck voraus in den Laden gekracht. Dabei fuhr sie zuerst über einen Bordstein und durchbrach eine kleine Hecke, bevor sie im Laden zum Stehen kam. Warum die Frau mit voller Wucht aufs Gaspedal trat, stehe bislang nicht fest. Möglich sei, dass sie Gas und Bremse verwechselt hat oder am Fahrzeug ein technischer Defekt vorlag. Alkohol habe die Frau nicht getrunken.
Glücklicherweise wurden aber weder die Fahrerin noch die Mitarbeiter der Apotheke verletzt, bestätigt Maurer. Das sei aber nur dem Zufall zu verdanken, sagt eine Apothekenmitarbeiterin. Nur Augenblicke vor dem Unfall sei der Laden nahezu voll gewesen. An der Stelle, wo das Auto hereinraste, seien noch Kunden gestanden. Auch die beiden Angestellten hinter der eingedrückten Wand seien nur um wenige Zentimeter verfehlt worden.
„Es war Riesenglück, dass nichts passiert ist, ein paar Minuten eher, hätte es ganz anders ausgesehen“, sagt auch Markus Bauer, Inhaber der Römer-Apotheke. Die Fahrerin selbst sei nach dem Unfall sofort ausgestiegen und habe den Notruf gewählt. „Die stand auch total unter Schock, sie hat sich gleich tausendmal entschuldigt“, ergänzt eine seiner Angestellten. Ihr schwer beschädigtes Auto habe dann die Feuerwehr aus dem Laden gezogen.
Auch in der Apotheke sei der Sachschaden enorm, sagt Markus Bauer, während er durch die zerstörte Apotheke geht. Bei jedem Schritt knirschen die Scherben unter seinen Füßen. Bauer hebt ein paar Medikamente vom Boden auf, begutachtet sie und legt sie wieder zurück. „Allein die kaputten Waren werden mindestens 10000 Euro wert sein, wenn es reicht“, sagt er. Einen wirklichen Überblick, was alles in Mitleidenschaft gezogen wurde, habe er noch nicht. Richtig teuer werde es, wenn auch die speziellen Schränke für die Lagerung der Medikamente etwas abbekommen haben. „Allein die kosten ein paar Tausend Euro“, sagt Bauer.
Der Apotheker sei aber einfach nur froh, dass keiner seiner Mitarbeiter zu Schaden gekommen ist. Vor allem für zwei seiner Angestellten tue es ihm extrem leid. Deren Heimat sei mitten im Kriegsgebiet. Beim lauten Knall hätten sie erst mal an das Schlimmste gedacht. „Dass die sich von dem Schock erholen, ist das Wichtigste. Für den materiellen Schaden gibt es Versicherungen und das können wir alles irgendwie ersetzen“, sagt Bauer.
Jetzt gehe es erst mal darum, die Apotheke „so schnell wie möglich wieder dicht zu bekommen“. „Da hoffe ich, dass das heute noch passiert“, sagt Markus Bauer. Bereits auf der Fahrt zur Unfallstelle habe er sich darum gekümmert, dass die größten Schäden so weit wie möglich repariert werden. Denn eines macht der Apotheker auch klar: „Am Dienstag wollen wir wieder aufsperren“, sagt der Inhaber. Es sei zwar noch viel – vor allem Aufräumarbeiten – zu machen, aber Bauer ist optimistisch, dass das klappt.
Schnelles Comeback
nach dem „falschen Film“
In nächster Zeit könne es dennoch sein, dass das Angebot ein bisschen kleiner ist als sonst. Bis alle zerstörten Sachen kontrolliert und nachbestellt sind, könnte es etwas dauern. Dennoch: „Wir wollen so schnell wie möglich wieder für die Kunden da sein“, betont Bauer. Und genauso wichtig sei es, dass sich seine Mitarbeiter schnell von dem Schock erholen. Schließlich habe sich der Tag in der Apotheke angefühlt „wie in einem falschen Film“.