Rosenheim – Der Baum an der Kirchbachstraße in Fürstätt ist für Leonie Schmidt ein wichtiger Ort. Sie hat dort zusammen mit Freunden ein Kreuz aufgestellt, Kuscheltiere und Bilder abgelegt und bringt regelmäßig Blumen vorbei. Hin und wieder mäht sie auch die Wiese um den Baum oder sammelt das heruntergefallene Laub.
Es ist die Stelle, an der ihre beste Freundin Melissa im Oktober 2023 ihr Leben verlor. Bei einem schweren Verkehrsunfall, mit gerade einmal 17 Jahren.
Mädchen (17) starb
2023 bei Raser-Unfall
Ein damals 20-jähriger Fahrer verlor in der Tempo-30-Zone bei rund 140 km/h die Kontrolle über seinen BMW und prallte gegen jenen Baum. In dem Auto saß auch Melissa. Die 17-Jährige starb noch an der Unfallstelle, zwei weitere junge Menschen wurden schwerst verletzt. Während der Fahrer inzwischen verurteilt wurde, geht Leonie Schmidt fast täglich an den Ort – um an Melissa zu denken und sich ihr nah zu fühlen.
„Das ist für mich ein Ort der Ruhe“, sagt Schmidt am Telefon. Früher sei der Baum auch ein Treffpunkt für sie und ihre Freunde gewesen, um sich gemeinsam an Melissa zu erinnern. Als Schmidt allerdings vor ein paar Tagen an die Unfallstelle kam, traute sie kaum ihren Augen. Von der „mit viel Liebe“ dekorierten Gedenkstelle war nur noch ein schwarzer Fleck übrig. Sämtliche Erinnerungsstücke an Melissa waren verbrannt. Auch das Kreuz und der untere Teil des Baums waren verkohlt. „Das sah ganz schlimm aus“, sagt die junge Frau. Alle Sachen, die dort abgelegt waren, seien kaputt. „Wir hatten dort gerade ganz viel Deko wie zum Beispiel Plastikherzen und kleine Engel, selbstgebastelte Sachen oder Briefe“, sagt die junge Frau. Besonders schmerzlich sei, dass auch persönliche Dinge von Melissa wie Ringe oder Ketten verbrannt sind. Oder eben die Kuscheltiere, die sie und eine andere Freundin gemeinsam mit Melissa auf dem Rosenheimer Herbstfest gewonnen hatten. Das fühle sich so an, als „wäre der Verlust plötzlich wieder ganz frisch“, sagt Leonie Schmidt.
Ihr erster Gedanke sei sofort gewesen, dass jemand die Gedenkstelle absichtlich zerstört hat. Eine Nachfrage bei der Rosenheimer Polizei kann das nicht bestätigen. Wie Polizeihauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage mitteilt, sind am 23. Oktober gegen 10 Uhr mehrere Notrufe wegen eines brennenden Baumes an der Kirchbachstraße eingegangen. „Beim Eintreffen war der Brand bereits vollständig abgelöscht“, sagt Maurer. Die Feuerwehr teilte den Polizisten vor Ort mit, dass ein Passant das Feuer mithilfe eines Wassereimers löschte und ihr Eingreifen nicht nötig gewesen sei.
Kein Hinweis auf
eine vorsätzliche Tat
Auch dazu, warum die Gedenkstelle in Flammen aufgegangen ist, kann der Hauptkommissar etwas sagen: „Brandursache war vermutlich, dass eine dort brennende Kerze durch herabfallendes Laub Feuer gefangen hat und dann auf das an den Baum angelehnte Kreuz und den Baumstamm überging“, berichtet der Polizist. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 150 Euro. Dass jemand die Gedenkstätte vorsätzlich angezündet hat, dafür gebe es keinerlei Hinweise.
So wirklich kann Leonie Schmidt diese Erklärung nicht glauben. „Zu dem Zeitpunkt haben eigentlich keine Kerzen gebrannt und wir haben viele elektrische Kerzen dort. Zudem muss das Laub noch feucht gewesen sein“, sagt sie. Sie wolle zwar nicht ausschließen, dass jemand Fremdes eine Kerze abgestellt und angezündet hat, aber sie irritiere noch etwas anderes: „Bei einigen Deko-Figuren waren die Köpfe abgetrennt und die Gläser waren zerstört“, sagt die junge Frau. Sie könne sich nicht vorstellen, dass dies das Feuer angerichtet hat.
Zumal es Leonie Schmidt eigenartig findet, dass die Gedenkstelle fast auf den Tag genau am zweiten Todestag von Melissa zerstört wurde. Das seien aber bloß Vermutungen. Sie wolle weder ausschließen, dass es eine mutwillige Zerstörung war, noch, dass doch ein „saublöder“ Zufall dahintersteckt. „Wir versuchen jetzt, nochmal mit dem Nachbarn zu sprechen, der es gelöscht hat. Vielleicht weiß der ja mehr“, sagt sie am Telefon.
Unabhängig davon, wie es genau zu dem Brand kommen konnte, steht für Leonie Schmidt fest: Die Gedenkstelle wird wieder hergerichtet. Um dafür schnell das Geld zusammenzuhaben, hat die junge Frau auf der Internetseite „gofundme“ eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Jeder, der beim Wiederaufbau helfen möchte, kann dort spenden. Bislang sind 150 Euro zusammengekommen. Das freue Schmidt extrem. „Es ist schon cool, dass unbekannte Leute sich daran beteiligt haben.“ Genauso habe es Schmidt gefreut, dass ein Betrieb aus Rosenheim angeboten hat, ein neues Kreuz mit einer Gravierung anzufertigen. Schade sei nur, dass der Vorrat an persönlichen Gegenständen von Melissa fast aufgebraucht ist. Dennoch habe die junge Frau schon ein Bild im Kopf, wie die Gedenkstelle in Zukunft ausschauen soll. „Am besten so wie davor“, sagt sie und lacht. Und für die anstehende Weihnachtszeit sei auch schon fest eingeplant, Weihnachtsdeko zu kaufen – damit Melissa ein wenig mit ihnen mitfeiern könne.
Schutzmaßnahmen am
Ort der Trauer geplant
Ab sofort wollen Schmidt und ihre Freunde besonders darauf achten, dass noch mehr elektrische Kerzen verwendet werden. Oder, dass die Kerzen zumindest einen Deckel haben. Für den Fall, dass doch jemand unabsichtlich eine brennende Kerze dazugestellt hat. Zudem haben sie überlegt, den Bereich um den Baum herum mit Kies aufzuschütten, damit nichts umfallen kann. Und die Gedenkstätte für Melissa nicht zum zweiten Mal ein Raub der Flammen wird.