Rosenheim – Die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei müssen schwindelfrei sein. Vor allem an diesem Vormittag. Einer von ihnen steht in über zehn Metern Höhe auf der Arbeitsbühne eines Hubsteigers. Er trägt einen Gehör- und Gesichtsschutz, in der rechten Hand hält er eine Motorsäge. Kurz stimmt er sich mit einem seiner Kollegen ab, dann setzt er das Werkzeug an einem Ast an. Mit einem lauten Krachen fällt das Stück Holz auf den Boden. Dann nimmt er sich den nächsten Ast vor.
Bekanntgabe
bereits im Juli
Seit mehreren Stunden sind die städtischen Mitarbeiter bereits im Einsatz. Eine Kreuzung musste gesperrt, Vorbereitungen getroffen werden. Bereits im Juli wurde in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz bekannt gegeben, dass die große Stieleiche Am Gries vor dem Kreuzungsbereich zur Äußeren Münchener Straße gefällt werden muss.
„Der Baum steht schon seit einiger Zeit leicht schief“, sagt Julia Kositzki, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Rosenheim. Zudem wurde ein starker Pilzbefall am Stamm des Baumes festgestellt. „Aus diesem Grund wurde eine Ultraschalluntersuchung gemacht“, erklärt Kositzki. Mit dieser kann herausgefunden werden, ob der Baum in seinem Inneren faul, hohl oder beschädigt ist.
Julia Kositzki zeigt ein Foto der Untersuchung, die von einer externen Gutachterin durchgeführt wurde. Auf einem kleinen Holztisch steht ein Laptop, daneben ein schwarzer Koffer, in dem sich das Ultraschallgerät befindet. Um den Stamm der Eiche hängen mehrere Sensoren, die mit Metallstiften verbunden sind. Eine schnelle Internetrecherche zeigt, wie eine solche Ultraschalluntersuchung in den meisten Fällen abläuft. So wird durch einen Schlag auf die Metallstifte eine Schallwelle ausgelöst. Anschließend messen die Sensoren, wie lange die Schallwelle unterwegs ist. Gesundes Holz leitet die Schallwellen schneller, bei krankem Holz dauert es deutlich länger.
Direkt nach der Untersuchung landet auf dem Computer ein farbiges Schnittbild des Baumes. Dunkle Stellen bedeuten, dass der Baum gesund ist, violette oder blaue Stellen deuten auf einen hohlen oder kranken Stamm hin. Das Ergebnis bei der Rosenheimer Stieleiche ist eindeutig. Die komplette rechte obere Seite leuchtet violett, blau und grün. Kein gutes Zeichen. „Ein Viertel des Baumes ist tot“, sagt die stellvertretende Pressesprecherin. Schuld ist ein holzzerstörender Pilz, auch Lackporling genannt. Die Pilze sind weltweit verbreitet und besiedeln zahlreiche Laub- und Nadelbäume. Die Parasiten befallen das Holz und erzeugen eine Weißfäule. Ein Gegenmittel gibt es nicht. „Die Entscheidung der Fällung dieser prägenden Eiche haben wir uns nicht leicht gemacht. Der Wurzelschaden ist aber so groß, dass der Baum bei starkem Wind umfallen kann“, sagte Oberbürgermeister Andreas März. Weil das – gerade in einem Kreuzungsbereich – sehr gefährlich sein kann, führte an einer Fällung kein Weg vorbei.
Und genau darum kümmern sich an diesem Vormittag die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei und des Baubetriebshofs. Insgesamt sieben Stunden waren eingeplant. Erst werden die kleinen Äste entfernt, anschließend die größeren Teile.
Abtransport
in Scheiben
„Der Stamm wird dann in Scheiben geschnitten und abtransportiert“, sagt Julia Kositzki.
Zeitnah sollen an Stelle der Stieleiche zwei neue Eichen mit etwa acht Metern Höhe gepflanzt werden. „Größere Bäume können wir nicht pflanzen. Aber sie wachsen noch und werden bis zu 25 Meter hoch“, sagte Oberbürgermeister März.