Rosenheim – Abuzar Erdogan ist niemand, der ein Blatt vor den Mund nimmt. „Die Situation ist absolut lächerlich“, sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD auf OVB-Anfrage. Grund für seinen Unmut ist ein Schreiben von Bernhard Boneberg. Der stellvertretende Ortsvorsitzende der AfD hatte scharfe Kritik an einer SPD-Veranstaltung geäußert – oder vielmehr an der Gästeliste.
Bereits vor einigen Tagen hatte die SPD zu einer Feier eingeladen. Bei Getränken und kleinen Snacks sollte das 80-jährige Bestehen der Fraktion seit der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg gefeiert werden. Festredner war Markus Rinderspacher, Vizepräsident des Bayerischen Landtags. Neben Oberbürgermeister Andreas März erhielten auch Mitglieder der städtischen Verwaltung sowie die 44 Stadträte eine Einladung.
Gesamte Öffentlichkeit
wurde eingeladen
Einige wurden über die sozialen Medien angeschrieben, andere per E-Mail. Besagte Einladung landete nun aber eben auch bei Mitgliedern der AfD sowie bei Stadtrat Stefan Bauer (parteilos). Und genau hier fangen die Probleme an.
Denn vor Ort angekommen, wurde Stefan Bauer gebeten, die Veranstaltung wieder zu verlassen. „Ein Grund wurde mir nicht genannt. Man hat lediglich auf das Hausrecht verwiesen“, sagt Bauer auf Anfrage. Er habe seine Einladung gezeigt, musste den Konzertsaal der Musikschule aber dennoch verlassen. „Ich bin mir keines Fehlverhaltens bewusst“, sagt Bauer. Er sei lediglich an der Geschichte der Stadt Rosenheim interessiert, aus diesem Grund habe er an der Veranstaltung der SPD teilnehmen wollen.
„Durch den Vorfall fühle ich mich wie ein Mensch zweiter Klasse“, fügt er hinzu.
Kritik an „erschreckender
Intoleranz“
Unterstützung erhält Bauer jetzt vom Ortsvorsitzenden der AfD. In einem Schreiben kritisierte Bernhard Boneberg das Vorgehen der SPD scharf. Er spricht von einem „politischen Eklat“ und wirft der SPD einen „massiven Verstoß gegen jegliche kommunalpolitische Etikette“ vor. „Wie ist es möglich, dass eine Partei, die sich auf 80 Jahre Tradition und demokratische Werte beruft, die Einladung an ein gewähltes Mitglied des Stadtrats unmittelbar an der Tür widerruft?“, hinterfragt er in seinem Schreiben. Die SPD zeige in ihrem Verhalten eine „erschreckende Intoleranz gegenüber abweichenden oder unabhängigen politischen Meinungen“.
Boneberg geht sogar noch einen Schritt weiter. Er fordert die SPD nicht nur zu einer öffentlichen Stellungnahme auf, sondern will auch, dass sich die Mitglieder der Fraktion bei Stefan Bauer für ihr „inakzeptables Fehlverhalten“ entschuldigen. Nach einer Anfrage bei der SPD wird schnell klar: Eine Entschuldigung wird es nicht geben. Im Gegenteil. Die SPD steht hinter ihrer Entscheidung, Stefan Bauer die Teilnahme an der Veranstaltung zu verwehren.
„Auf einer Veranstaltung, in der die Demokratie und die Freiheit gefeiert werden, hat Stefan Bauer nichts verloren. Offensichtlich wollte er provozieren“, sagt Abuzar Erdogan. Da es sich um eine öffentliche Veranstaltung gehandelt hat, habe man die gesamte Öffentlichkeit eingeladen. „Nichtsdestotrotz müssen wir Demokratiefeinde aber nicht bei unserer Veranstaltung tolerieren“, fügt Erdogan hinzu.
Dass Stefan Bauer in Rosenheim kein unbeschriebenes Blatt ist, dürfte bekannt sein. In der Vergangenheit sorgte der Stadtrat – der lange Zeit bei der AfD war – mit seinen Aktionen immer wieder für Aufsehen. Vor allem während der Corona-Pandemie. So gibt es unter anderem ein Video, das Bauer an der KZ-Gedenkstätte im oberösterreichischen Mauthausen gedreht hat. Darin vergleicht er die Covid-Impfung mit dem Einsatz des Giftgases Zyklon B in den Konzentrationslagern und zieht Parallelen zwischen den staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen und dem Holocaust.
AfD distanziert
sich von Bauer
Das Video führte dazu, dass der AfD-Kreisverband ihren früheren Schriftführer aus der Partei ausschloss und sich von ihm distanzierte. Seitdem ist Bauer parteilos. Jetzt macht sich ausgerechnet der stellvertretende Ortsvorsitzende der AfD für Bauer stark. „Die AfD hat sich seinerzeit in vorauseilendem Gehorsam und auch, um medialen Schaden von der Partei abzuwenden, von Stefan Bauer getrennt“, erklärt Bernhard Boneberg.
Kein Strafverfahren
in die Wege geleitet
Der stellvertretende Ortsvorsitzende erinnert in diesem Zusammenhang aber auch daran, dass ein Strafverfahren gegen Bauer aufgrund des Videos nie eingeleitet worden ist. „Auch standen keine Konsequenzen im Raum“, fügt er hinzu. Er habe sich zudem nicht in seiner Funktion als AfD-Politiker an die SPD gewandt, sondern als guter Freund. Außerdem sei er als Politikberater und Politikanalyst tätig. „Ich stehe Stefan Bauer gelegentlich mit Rat und Tat zur Seite“, sagt er. So auch in diesem Fall.