Rosenheim – Jubiläumsfeier im Konzertsaal der Musikschule Rosenheim anlässlich der Wiedergründung des Rosenheimer Ortsvereins der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vor 80 Jahren mit spannenden Einblicken in die Parteigeschichte und einem Blick in die Zukunft.
Festredner war Markus Rinderspacher, Vizepräsident des Bayerischen Landtags. Ehemalige und aktuelle Wegbegleiter warteten mit erinnerungsstarken Ereignissen auf und belebten, unter einhelligem Bekenntnis sozialdemokratischer Grundsätze, die Veranstaltung. Jonah Werner, Mitorganisator und SPD-Stadtratskandidat, moderierte den Abend, musikalisch umrahmt von der Band 34u.
Auf den Tag genau vor 80 Jahren, am Sonntag, 4. November 1945, wurde im vollbesetzten Hofbräusaal in einer öffentlichen Versammlung die SPD Rosenheim wieder gegründet. Und dies in neu gewonnener Freiheit, ohne Repressalien der Nazis, in entgifteter, wahrhaftiger Atmosphäre. So zitierte der Vorsitzende Abuzar Erdogan aus dem damaligen Zeitungsbericht des Oberbayerischen Volksblattes zu Beginn seiner Laudatio. Er erinnerte an die ungeheuerlichen Anstrengungen der 1950er- und 1960er-Jahre des Wiederaufbaus und beschrieb den katastrophalen Wohnungsmangel, der mittels eines Wohnungsbauprogrammes letztlich zum Bau von 2291 Wohnungen führte, dem sich damals schon größten Teiles Genossenschaften etablierter Arbeiterschaften annahmen. Oberbürgermeister war unvergessen der SPD-Mann Sepp Sebald. Vorausgegangen waren der Ansprache des Vorsitzenden die Grußworte des Co-Vorsitzenden der SPD Oberbayern Matthias Bonigut. Er zollte den ehrenamtlichen Leistungen der Rosenheimer gerade im Hinblick auf die demokratische Grundsatzarbeit großen Respekt. Per Videobotschaft zog Maria Noichl, SPD Europa Abgeordnete, die Gäste in ihren Bann. Sie schwor die Genossinnen und Genossen geradezu ein, in diesen „Schwindel erregenden Zeiten“, den Menschen wieder Halt zu geben und appellierte an die Verpflichtung zur Wahrheit im Hinblick auf panikmachende Berichterstattungen unsolider Medien. Fair und pointiert dann die Glückwünsche von Oberbürgermeister Andreas März, der es als „starkes Zeichen“ ansah, überhaupt eine Einladung bekommen zu haben. Schließlich steht er mit Abuzar Erdogan im Wettbewerb auf die Position des Oberbürgermeisters bei der Wahl im neuen Jahr. Aber es ist „unumstritten“, so der Oberbürgermeister, dass Rosenheim ohne Engagement sozialdemokratischer Persönlichkeiten um einiges ärmer wäre. Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist, vertraut er auf die „Handschlagqualität im demokratischen Sinne“.
Große Aufmerksamkeit erfuhr der Beitrag der ehemaligen Vorsitzenden Elisabeth Jordan. Sie erinnerte an den ersten SPD-Landesparteitag nach dem Weltkrieg im Jahre 1949 unter Leitung von Waldemar von Knoeringen und einer Großkundgebung in Rosenheim. Kurt Schumacher, Vorkämpfer menschlicher Freiheit, sprach vor 40000 Menschen, versammelt auf dem Max-Josefs-Platz.
Rosenheims Dritte Bürgermeisterin, Gabriele Leicht, kündigte mit herzlichen Worten dann die Festrede von Markus Rinderspacher an, der, neben Schlaglichtern auf die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl, letztlich dem Auditorium einen sehr inhaltsreichen Rückblick der weit über hundertjährigen SPD-Geschichte zum Besten gab. Rosenheim war dabei als Eisenbahnerstadt Sprachrohr der Arbeiterschaft in den Zeiten des Aufschwungs und SPD-Herzstück politischer Willensbildung. Viele Errungenschaften, der Bogen spannte sich vom Acht-Stunden-Tag über die Gleichstellung der Frauen, das Recht auf Bildung bis zum Mindestlohn, fanden ihren Anfang schon vor der Weimarer Regierung. Trotz heftigstem Widerstand gegen das Nazi-Regime, an der Spitze die Lichtgestalt Wilhelm Hoegner, wurde die Demokratie 1933 zu Grabe getragen und die Werte der sozialdemokratischen Arbeit versanken im Sumpf des nationalsozialistischen Wahnsinns. Aber mit Hoegners Entwurf der Bayerischen Verfassung, einem sozialistischen Manifest, einem Plädoyer für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, war nach den dunklen Jahren die Grundlage für einen Neubeginn in Bayern geschaffen. So braucht die Verteidigung des Gemeinwesens bis heute eine starke SPD und findet ihren Ausdruck im gesellschaftspolitischen Prinzip der Subsidiarität. Es gab langanhaltenden Applaus, das Trio 34u stimmte die Bayernhymne an, mit der sich letztlich alle Versammelten zur bayerischen Heimatliebe bekannten. In angeregter Runde, mit dem Dank an die vielen jungen SPD-Mitglieder die sich um die Organisation verdient machten, fand der Jubiläumsabend erst spät sein Ende.
Franz Knarr