Nach dem Vorbild der Casa Santa gebaut

von Redaktion

Rosenheimer Geheimnisse Folge 5: Die Loretokapelle

Rosenheim – 50 spannende Geschichten über die Stadt Rosenheim enthält das neue Buch „Rosenheimer Geheimnisse“, das Autor Stefan Regniet in Zusammenarbeit mit den OVB-Heimatzeitungen herausgegeben hat. Fünf dieser Geheimnisse stellen wir in loser Folge in den OVB-Heimatzeitungen vor. In der fünften Folge geht es um die Loretowiese.

Immer zum Ende der Sommerferien findet in Rosenheim eines der größten Volksfeste Bayerns statt. Im Gegensatz zum Münchner Oktoberfest, das ja heutzutage eher ein Magnet für internationale Besucher ist als ein traditionelles Fest für die Einheimischen, ist die Rosenheimer „Wiesn“ noch immer ein Fest für die Stadt und das Umland. Jedes Jahr kommen eine Million Besucher und mehr aufs Herbstfest, das in Wirklichkeit etwa so wenig im Herbst stattfindet wie das Oktoberfest im Oktober. Sehr wohl aber stellt es jedes Jahr einen gebührenden Abschied für die Sommersonne dar, die mit etwas Glück auch noch warm und lang auf die riesigen Festzelte scheint.

Dina Regniet wurde 2005 zwar nicht die „Miss Herbstfest“, die alljährlich die Besucher durch die 16 Festtage geleitet. Als „Schönste der Region“ gewann sie jedoch den gleichnamigen Wettbewerb des Oberbayerischen Volksblatts, was für sie eine tiefe Beziehung zu ihrer zweiten Heimat geschaffen hat: „Meine Kindheit habe ich am Bodensee verbracht, daher war ich landschaftlich schon immer sehr verwöhnt. Als ich dann nach Rosenheim gezogen bin, habe ich mich dort gleich sehr wohlgefühlt. Und das Herbstfest war schon einer der Höhepunkte des Jahres, das ich aus meiner Heimat so nicht kannte.“ Das Dirndl, das sie beim Wettbewerb gewonnen hat, durfte sie dann auch genau dorthin ausführen: auf die Loretowiese, die jedes Jahr Schauplatz des Rosenheimer Herbstfests ist. Wenn gerade kein Herbstfest stattfindet, ist sein Veranstaltungsort der größte Parkplatz der Stadt. Mit über 700 Stellplätzen bietet er täglich Pendlern und Besuchern eine Möglichkeit, ihr Auto nahe der Innenstadt abzustellen. Während des Herbstfestes fehlen die Plätze zwar, aber zum Glück reisen auch viele Besucher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an.

In der Mitte der Loretowiese zeugt das ganze Jahr über der „Glückshafen“ vom wichtigsten Fest des Jahres. Das Gebäude beherbergt unter anderem eine Bäckerei, nur zur „Fünften Jahreszeit“ wird sie zur Losbude und die „Glückshafen“-Leuchtschrift begrüßt die Besucher schon verheißungsvoll von Weitem.

„Schon immer habe ich mich gefragt, warum der Platz wohl nach einem italienischen Wallfahrtsort benannt ist“, sagt Dina Regniet, die sich als Sängerin und Hochzeitsrednerin auch mit der Geschichte hinter den Kirchen in der Stadt beschäftigt. „Loreto ist ein kleiner Ort in den italienischen Marken – also an der Adria bei Ancona. Es ist ein sehr bekannter Wallfahrtsort, denn dort steht mitten in der großen Basilika das Heilige Haus von Nazareth. Das ist angeblich von Engeln nach Loreto getragen worden.“ Auch wenn den Besuchern ihre Anreise zum Herbstfest wie eine Art Wallfahrt vorkommen mag, wäre der Vergleich des Glückshafens oder gar der Festzelte mit dem Heiligen Haus etwas weit hergeholt.

In Wirklichkeit – so weiß Dina Regniet – ist eine kleine und unscheinbare Kapelle am Rand der Loretowiese der Namensgeber für den großen Platz: „Die Kapelle ist mir früher nie aufgefallen. Doch seit ich mehr über ihre Geschichte herausgefunden habe, muss ich ihr bei jedem Herbstfest einen kurzen Besuch abstatten.“

Die Geschichte der Kapelle ist wirklich einzigartig, denn der Rosenheimer Georg Schaur (1579 bis 1652) unternahm eine Wallfahrt nach Rom und Loreto, weil der kleine Ort damals wie heute das wichtigste Wallfahrtsziel nach dem Petersdom war.

Schaur erkrankte auf seiner Reise schwer und versprach, in seinem Heimatort eine Kapelle zu bauen nach dem Vorbild der Casa Santa, eben jenem Haus der heiligen Maria.

„Nach seiner Gesundung und Rückkehr musste er lange für sein Versprechen sparen“, schildert Dina Regniet. Und weiter: „Er wurde einige Jahre später sogar Bürgermeister von Rosenheim, was an der Erfüllung seines Versprechens nichts änderte – jedoch hatte er die finanziellen Mittel erst nach drei Jahrzehnten beisammen, sodass der Bau starten konnte.“ Doch der Einfall der Schweden im Jahr 1632 sowie der Ausbruch der Pest zwei Jahre später verzögerten die Bauarbeiten weiter. Der Grundstein für die Kapelle wurde 1635 gelegt, die Weihe fand am 22. Juni 1636 statt. Schaurs Frau Margaretha Kall starb 1637, sie erlebte also noch die Erfüllung des Versprechens, auch wenn es viele Jahre gedauert hatte. Schaur hatte auch ein Benefizium für die Kapelle gestiftet, einen Kapitalfonds zum Unterhalt eines eigenen Geistlichen. „Für diesen wurde an die Sakristei im Osten der Loretokapelle 1722 ein Wohnhaus angebaut“, hat Dina Regniet herausgefunden.

Im selben Jahr, 1636, wurde eine weitere Kapelle am westlichen Rand der Loretowiese zu Ehren der Pestpatrone St. Sebastian, Rochus und Pirmin eingeweiht. Beide Kapellen wurden im Lauf der Jahre durch Alleen mit der Innenstadt verbunden – der Loretoallee und der Sebastianiallee. Der Platz zwischen den Alleen war seither die Loretowiese, die ihre dreieckige Form bis heute behalten hat. Beinahe hätte aber die Kapelle den Beginn des 19. Jahrhunderts nicht überlebt, als Maximilian von Montgelas (1759 bis 1838) alles niederreißen ließ, was den Namen „Kapelle“ trug. Nur indem ein Fenster in die Seitenwand gebrochen wurde und sie damit den Erfordernissen einer Kirche anpasste, wurde sie schließlich gerettet – auch wenn sie nicht mehr ganz dem fensterlosen Original in Loreto entsprach. Auch wenn die Loretowiese – unter anderem Namen – bereits im Mittelalter Schauplatz von Jahrmärkten, Volksbelustigungen und öffentlichen Hinrichtungen war, fand das erste Rosenheimer Herbstfest 1861 statt.

Das Buch „Rosenheimer Geheimnisse“ von Stefan Rigniet ist in den Geschäftsstellen der OVB- Heimatzeitungen erhältlich.

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