Rosenheim – 50 spannende Geschichten über die Stadt Rosenheim enthält das neue Buch „Rosenheimer Geheimnisse“, das Autor Stefan Regniet in Kooperation mit den OVB-Heimatzeitungen herausgegeben hat. Fünf dieser Geheimnisse stellen wir in loser Folge in den OVB-Heimatzeitungen vor. In der ersten Folge geht es in den Riedergarten.
Dr. Christian Höschler ist seit 2023 Leiter des Stadtarchivs Rosenheim. Er kennt sich aus in „seinem“ Rosenheim und sitzt für historische Belange direkt an der Quelle.
Die Stadt zu erkunden, gehört dabei auch gewissermaßen zu seinem Beruf. Auf die Frage nach Lieblingsplätzen teilt er sich gerne mit: „Es gibt viele lauschige Orte in dieser Stadt. Ein ganz besonderer Park zum Schlendern und um Ruhe zu finden ist dabei der Riedergarten. Dieser wurde zur Landesgartenschau 2010 mit historischen Bezügen umgestaltet.“ Und natürlich birgt er auch ein Geheimnis. Aber der Reihe nach: Der Riedergarten hat eine lange Tradition in Rosenheim. Neben einem Spielplatz, einem Orakelbrunnen, einer Kneippanlage und einem Bach, in dem die Besucher im Sommer ihre Füße baumeln lassen, gibt es ein besonders angelegtes Gärtchen. Und hier findet sich auch das Geheimnis: Auf kleinen Steinsäulen sind, ordentlich aufgebracht auf Metallschildern, mehrere Krankheiten und Organe genannt. „Rheuma“ ist hier zum Beispiel zu lesen. Oder auch: „Nerven“ und „Haut“ oder „Niere“.
Christian Höschler kann genau erklären, was es mit den Schildern im Kräutergarten auf sich hat: „Das ist der rekonstruierte Garten der Apothekerfamilie Rieder. Zur Neuanlage wurde hier viel Aufwand betrieben und zusammen mit den Nachkommen der Familie der Garten mit starker Anlehnung ans Original gestaltet.“
Im ursprünglichen Gärtchen waren die Beete nach ihrer Heilkraft und Körperteilen angelegt. Bei Magenbeschwerden hilft Meerrettich, Galle und Leber profitieren von Artischocken – das wusste man damals schon. Außerdem wachsen dort Minze, Lavendel und Zaubernuss. Die Pfefferminzplättchen der Apotheke waren damals berühmt und beliebt und werden heute wieder angeboten.
Die Fläche des Riedergartens war, soweit bekannt, nie bebaut. Vermutlich um 1500 kam die Familie Rieder aus Kufstein nach Rosenheim. Bis ins 18. Jahrhundert waren sie vornehmlich Schiffsmeister. Erst dann tauchten die ersten Apotheker in der Familie auf. Den Garten betrieben sie zunächst an ihrer Apotheke am Ludwigsplatz. Erst zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegten sie den Anbau ihrer Kräuter an den heutigen Ort, der davor Feuchtgebiet war – er gehörte zum Mangfall-Sumpfgebiet und musste erst entsprechend trockengelegt werden. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde Dr. Herrmann Rieder (1858 bis 1932), der zu den Pionieren der Radiologie zählt. Seine Forschung war ausschlaggebend für die moderne Röntgendiagnostik der Verdauungsvorgänge. Ein Schild an der Alten Rieder’schen Apotheke am Ludwigsplatz in Rosenheim macht auf seine Verdienste aufmerksam. Die Deutsche Röntgengesellschaft verleiht sogar regelmäßig die „Herrmann-Rieder-Medaille“ an verdiente Persönlichkeiten aus dem Fachgebiet. „Rieder verkaufte den Garten 1925 an die Stadt Rosenheim. Damals, so geht aus den Kaufurkunden hervor, maß er 6.900 Quadratmeter. Heute hat sich die Fläche des Riedergartens fast verdoppelt auf 12.800 Quadratmeter“, weiß Christian Höschler aus den Unterlagen des Archivs zu berichten. Bis dato wies der Park einige Attraktionen auf. Darunter 1926 das „Alpinum“, in dem alpine Sträucher und Pflanzen auf Felsen angepflanzt wurden, welches heute jedoch verschwunden ist. Außerdem stand im Riedergarten auch die „Papinslaube“ – eine Gartenlaube, die ihre Ursprünge im 16. Jahrhundert hatte und bis 1950 im wunderschönen Garten zu finden war.
„Diskussionen um den Riedergarten werden stets sehr emotional geführt. Alte Zeitungsartikel zeigen, dass – wann immer er umgestaltet, Bäume gefällt, Zäune gebaut oder entfernt wurden – es Proteste und rege Diskussionen im Stadtrat gab. Der Riedergarten bedeutet den Rosenheimern viel, es ist eben einer ihrer Lieblingsorte in der Stadt“, schließt Christian Höschler. Denn nicht nur er verweilt dort gern – egal ob bei der Sonnenuhr im Apothekergarten, beim rollenden Café am Orakelbrunnen oder an einem schattigen Plätzchen unter dem alten Baumbestand: Rosenheim liebt seinen Riedergarten.
Das Buch „Rosenheimer Geheimnisse“ von Stefan Rigniet ist in den Geschäftsstellen der OVB-Heimatzeitungen erhältlich.