Rosenheim – „Lesen ist alles andere als einsam“: Und wie recht die Buchhandlungs-Filialleiterin Maria Hausberger mit dieser Aussage hat, zeigte sich eindrucksvoll am Dienstagabend (18. November) in der Buchhandlung Rupprecht in Rosenheim: Wo normalerweise nur noch die Schaufensterbeleuchtung auf spannende Bücher aufmerksam macht, war an diesem Abend einiges los. Zahlreiche Besucher sind in die Buchhandlung gekommen, um sich beim „Weinleseabend“ nicht nur auf ein Glas Wein zu treffen, wie der Name es schon vermuten lässt. Nein, es gibt auch kurze Vorträge, die das Buch-Liebhaber-Herz höher schlagen lassen. Denn die Mitarbeiterinnen der Buchhandlung haben ihre Lieblingsbücher herausgepickt und den Rosenheimern vorgestellt. Folgende Romane haben begeistert, berührt und zum Nachdenken gebracht:
Jule Lange: „Treppe
aus Papier“
von Henrik Szántó
„‚Treppe aus Papier‘ ist ein Buch, welches mich wahnsinnig beeindruckt hat. Das Buch hat eine sehr ungewöhnliche Erzählperspektive – es wird aus der Sicht eines Hauses erzählt. Und dieses Haus ist schon sehr, sehr alt und hat natürlich sehr, sehr viel miterlebt, was zwischen seinen Wänden passiert. Unter anderem eben auch, was die Bewohnerinnen und Bewohner dort erlebt haben. Der Fokus liegt auf der 90-jährigen Irma, die bei ihren nazitreuen Eltern in diesem Haus aufgewachsen ist. Sie trifft auf die Schülerin Nele, die ganz viele Fragen zur Vergangenheit stellt und sehr vieles wieder aufwühlt, was eigentlich schon als verdrängt und auch ein bisschen abgeschlossen galt. Es ist ein Buch, welches dazu aufruft, sich mit der eigenen Familiengeschichte, mit der eigenen Vergangenheit und mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es hört nie auf, daran zu erinnern, was in unserer Geschichte passiert ist. Das hat mich wirklich sehr berührt.“
Viktoria Wirth:
„Die Rettung“ von
Charlotte McConaghy
„Im Roman ‚Die Rettung‘ von Charlotte McConaghy geht es um eine fiktive Insel, die zwischen Australien und der Antarktis liegt, und die bald vom Meeresspiegel verschluckt wird. Auf dieser Insel leben neben ganz vielen Tieren und Pflanzen noch vier Menschen: nämlich Dominic Salt und seine drei Kinder. Zu Beginn des Buches wird eine leblose Frau angespült, die nur ganz knapp dem Tod entrinnen kann. Und mit der Ankunft dieser Frau kommen ganz viele Fragen auf: Warum leben diese vier Menschen auf dieser Insel? Was möchte die Frau dort? Warum ist sie dort angespült worden? Und welche Geheimnisse verbergen sich noch auf der Insel? Das Buch ist extrem spannend ab Seite eins, und die Autorin hat eine sehr lebhafte und bildhafte Sprache, sodass man sich fühlt, als wäre man selbst auf der Insel. Es ist aber auch ein emotionales Buch über Familie, über Verlust. Es hat sehr, sehr viele mitreißende Themen, und ich habe extrem mitgefiebert und mitgelitten mit den Charakteren. Ein Buch für Menschen, die es besonders spannend mögen.“
Maria Hausberger: „Unsere Stimmen bei Nacht“ von Franziska Fischer
„‚Unsere Stimmen bei Nacht‘ von Franziska Fischer ist ein sehr poetisch berührendes Buch, das mehr durch seine Atmosphäre überzeugt als durch ausufernde Handlungsstränge. Darin wird die Geschichte eines älteren Ehepaars erzählt, das am Stadtrand von Berlin in einer großen Villa lebt. Die Kinder sind inzwischen ausgezogen, und dadurch haben sie plötzlich viel Platz. Sie müssen aber auch schauen, wie sie dieses Haus finanziell erhalten können. Dadurch kommen sie auf die Idee, Untermieter aufzunehmen, was sie zuvor noch nie gemacht haben. Und so kommen verschiedene Personen aus Berlin zusammen, um als eine Art Wahlfamilie in dieser WG zusammenzuleben.
Es sind Menschen, die sich sonst im normalen Leben wahrscheinlich nie kennengelernt hätten. Da ist eine junge Frau, die viel gereist ist und auf der Suche ist nach einem Sesshaftwerden. Es ist ein alleinerziehender Professor, der nach der Trennung ein neues Zuhause braucht. Seine Teenager-Tochter, die ein bisschen rebellisch ist, ein bisschen einsam und noch nicht zu ihrem Weg gefunden hat. Und ein Student, der auch gerade seine ersten Gehversuche im Erwachsenenleben macht. Durch die räumliche Nähe in diesem Haus entsteht dann auch echte Nähe zwischen diesen Personen. Sie fangen an, einander zu unterstützen, sich näherzukommen und herauszufinden, was in der heutigen Zeit – in der nicht mehr nur klassische Kleinfamilien existieren – Familie oder Heimat sein kann.“