Rosenheim – Wirklich Beachtung schenkt ihm niemand. Gegenüber der Schmalzkuchen-Bude auf dem Rosenheimer Christkindlmarkt, an der Hausmauer eines Bekleidungsgeschäfts kniet ein Mann. Er scheint um die 40 Jahre alt zu sein. Nur ein dünner Karton unter seinen Füßen schützt ihn vor dem kalten Boden des Max-Josefs-Platzes.
Er trägt eine schwarze Mütze, eine dicke Winterjacke hat er nicht. In einer Hand hält er einen vergilbten Papierbecher. Nach ein paar Minuten an der Stelle ist der Mann plötzlich wieder verschwunden.
In Menschenmenge
untergetaucht
Nur ein paar Meter weiter kauert eine junge Frau an dem Holzpfosten eines Stehtisches vor einem Glühweinstand. Auch sie sucht den Blickkontakt zu den Passanten, nickt ihnen zu und hofft, dass die ein oder andere Münze in den Becher vor ihren Füßen fällt.
Doch auch sie ist nur kurze Zeit später wieder unter den Besuchern des Christkindlmarktes an diesem Dienstagmittag untergetaucht.
Es sollen nicht die einzigen beiden Bettler sein, die sich in diesen Tagen auf dem Rosenheimer Christkindlmarkt aufhalten. Das ist zumindest die Beobachtung der Polizei.
„Wir stellen aktuell schon viele Bettler um den Christkindlmarkt herum fest“, sagt Hauptkommissar Robert Maurer. Obwohl das nichts Neues ist und bereits im vergangenen Jahr ein deutlicher Anstieg zu erkennen war, sei es in diesem Jahr nochmal deutlich auffälliger, betont der Polizist.
Allein am ersten Wochenende hätten die Beamten rund zehn Personen erwischt, die verbotenerweise im Bereich des Christkindlmarktes bettelten, sagt Robert Maurer. Da die Personen von den Polizisten kontrolliert werden, kann der Hauptkommissar auch etwas mehr über deren Hintergrund sagen.
Bisher seien die Bettler ausschließlich aus der Slowakei und Rumänien gekommen, berichtet Maurer. „Zudem glauben wir, dass die meisten organisiert sind und das Betteln strukturiert geschieht“, sagt er.
Auch wenn es manchmal schwierig sei, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, deutet dem Hauptkommissar zufolge einiges darauf hin, dass die Bettler mit dem Auto gezielt nach Rosenheim gebracht werden. Dort hätten sie dann ihren zugewiesenen Platz zum Betteln. „Überwiegend an den Zugängen zum Christkindlmarkt, in der kleinen Fußgängerzone in der Münchener Straße und um den Busbahnhof herum“, sagt Maurer.
Der Hauptkommissar hat auch die Vermutung, dass die Bettler am Ende des Tages das gesammelte Geld nicht für sich behalten dürfen, sondern abgeben müssen. Ärger bekommen die Betroffenen dennoch. „Wir erteilen einen Platzverweis und schreiben immer eine Bußgeldanzeige“, sagt Maurer.
Da die Menschen aber meist ausländische Staatsangehörige seien, müsste die Polizei oftmals direkt vor Ort eine Sicherheitsleistung von den Bettlern nehmen. „Wenn zu befürchten ist, dass der Bußgeldbescheid ins Leere läuft, ist es möglich, einen gewissen Geldbetrag zu nehmen“, erklärt der Polizist.
In einem Fall hätten die Beamten heuer sogar einen dreistelligen Betrag als Sicherheitsleistung nehmen können. „Eine achtköpfige Gruppe aus der Slowakei hat in der Fußgängerzone Musik gemacht und dabei auch relativ viel Geld eingenommen“, sagt Maurer.
Da das Musizieren im Bereich des Christkindlmarktes – so wie das Betteln – ohne Genehmigung verboten ist, hätte die Polizei einschreiten müssen. Genauso wie bei einen Mann, der ohne Erlaubnis Luftballone verkauft hat.
Warum der Christkindlmarkt bei Bettlern oder anderen Gruppen so „beliebt“ ist, dafür hat Klaus Hertreiter, Geschäftsführer vom Wirtschaftlichen Verband, eine Vermutung. „Die Mitleidsmasche funktioniert zur Weihnachtszeit natürlich am besten“, sagt er. Zumal im Advent viele Passanten in einem begrenzten Bereich in der Stadt zusammenkommen. Als Veranstalter des Christkindlmarkts könne man allerdings wenig dagegen machen, sagt Hertreiter.
Auf dem Max-Josefs-Platz handle es sich um öffentlichen Raum. „Anders als zum Beispiel beim Herbstfest, bei dem wir Security am Eingang haben, können wir jetzt nur lästig sein und die Menschen auffordern zu gehen oder die Polizei und das Ordnungsamt verständigen“, betont der WV-Geschäftsführer. Auch er glaubt, dass es sich in vielen Fällen um Bettler-Banden handelt.
„Die Menschen, die das letztendlich machen müssen, sind denen ausgeliefert“, sagt Hertreiter. Er will dabei aber daran erinnern, dass es für Menschen, die Hilfe brauchen oder obdachlos sind, auch andere Anlaufstellen gibt.
Weitere Anlaufstellen für
Bettler und Obdachlose
Eine davon ist die Diakonie. „Unsere Streetworker in Rosenheim gehen gezielt auf alle Menschen zu, die betteln, auf der Straße sitzen und bieten Unterstützung an“, sagt Mara Homberg, Geschäftsbereichsleiterin in der Diakonie Rosenheim. Die Ressourcen seien dafür aber sehr begrenzt. Hilfe gebe es aber auch mit dem Beratungsangebot der Wohnungsnotfallhilfe in der Erstberatungsstelle in der Königsseestraße, teilt die Geschäftsbereichsleiterin mit. Dort gibt es auch eine Herberge.
Indem Passanten diese Adresse an die Bettler weitergeben, könne man auch – ohne gleich Bargeld herzugeben – helfen. „Was zudem gerade jetzt im Winter nie verkehrt und mindestens eine schöne Geste ist, ist zum Beispiel etwas zu Essen, ein warmes Getränk zu spendieren oder warme Kleidung anzubieten“, sagt Homberg. Und wer dennoch mit Geld helfen möchte, könne einen seine Spende an die Wohnungsnotfallhilfe richten, „denn damit können wir akut bedürftigen Menschen zielgerichtet und schnell helfen“.