Literaturpreisträger geben Buchtipps

von Redaktion

Was lesen eigentlich Literaturpreisträger? Die Mitarbeiter der Stadtbibliothek haben bei den Rosenheimer Literaturpreisträgern nachgefragt und stellen deren persönliche Leseempfehlungen für die Weihnachtszeit vor.

Rosenheim – Was lesen eigentlich Literaturpreisträger? Die Stadtbibliothek Rosenheim hat bei den Rosenheimer Literaturpreisträgern nachgefragt, um Leseempfehlungen für die Weihnachtszeit zu geben.

Seit 2003 gibt es den Rosenheimer Literaturpreis, mit dem Autoren ausgezeichnet werden, die Werke von besonderer literarischer Qualität veröffentlicht haben und einen Bezug zur Stadt oder Region Rosenheim haben, über die Person oder das Werk. Er wird in unregelmäßigen Abständen von der Kultur- und Sozialstiftung des Oberbürgermeisters der Stadt Rosenheim, Dr. Michael Stöcker, verliehen, zuletzt an Natalie Buchholz im Jahr 2023.

Die Stadtbibliothek hat bei den drei letzten Rosenheimer Literaturpreisträgern – Natalie Buchholz (Preisträgerin 2023), Christian Lorenz Müller (Preisträger 2014) und Alois Prinz (Preisträger 2007) – nachgefragt, welche Bücher sie besonders inspirierend finden.

Empfehlungen von
Natalie Buchholz

Friedrich Ani: Schlupfwinkel, Fantasien über eine fremde Heimat: Ein warmer, berührender Text über eine Kindheit in einem Dorf in Bayern Anfang der 1960er Jahre, in der Schlupfwinkel nicht nur ersehnte Verstecke waren, sondern eine Möglichkeit, in andere Denkräume auszubrechen.

Martin Oesch: „Fleischeslust“: Der gelernte Metzger und Illustrator Martin Oesch hat mit „Fleischeslust“ eine farbenfrohe, thematisch aktuelle und zum Nachdenken anregende Geschichte um den alptraumgeplagten Metzgermeister Erwin gezeichnet und geschrieben, die einen ebenso amüsiert wie berührt. Ein Leseerlebnis der besonderen Art.

Eva Rottmann: „Fucking Fucking schön“: Dieses Buch, in dem die preisgekrönte Autorin zehn Geschichten erzählt, in denen Heranwachsende über Liebe, Sex und Gefühle reden, ist ein literarisches Highlight. Nicht nur für Jugendliche.

Empfehlungen von
Christian Lorenz Müller

Sophia Klink: „Kurilensee“: In „Kurilensee“ von Sophia Klink geht es um Anna, eine Biologin, die auf einer Forschungsstation in Sibirien lebt. Dort überwacht sie die Wasserqualität eines Sees, in den jeden Sommer Hunderttausende von Lachsen zurückkehren, um dort zu laichen und anschließend zu sterben. Dadurch reichern sich Nährstoffe an, die eine bestimmte Algenart wachsen lassen. Von diesen Algen wiederum ernähren sich die Jungfische. Doch jedes Jahr gelangen weniger Lachse in den See, da die Fangquote immer weiter erhöht wird. Anna befürchtet, dass das labile Gleichgewicht im See dadurch kippen könnte. Dieser Roman spielt in einer urtümlichen, erhabenen Natur, die die stille Anna über alles liebt. Mit dem Mikroskop versucht sie, ihre großen Gegner, die Gier und die Gewinnsucht des Menschen, zu bekämpfen.

Hermann Melville: „Typee“: Ein amerikanischer Matrose wird Mitte des 19. Jahrhunderts von einem polynesischen Stamm, der im Ruf steht, Menschen zu vertilgen, festgesetzt.

Die „Wilden“ sind allerdings sehr freundlich zu ihm. Inmitten einer paradiesischen Natur, die anstrengende Arbeit unnötig macht, beginnt er, die Inselgesellschaft zu erforschen. Ein lehrreiches und äußerst vergnüglich zu lesendes Werk über das Verhältnis zwischen der westlichen Zivilisation und einem vermeintlich primitiven Volk, in dem sich Melvilles spätere Größe bereits erahnen lässt.

Empfehlungen

von Alois Prinz

Wladimir Sorokin: „Der Schneesturm“: Der in Berlin lebende Sorokin ist der Magier der modernen russischen Literatur und ein scharfer Putin-Kritiker. In seinem schmalen Roman wird ein Landarzt in ein abgelegenes Dorf gerufen, um die Menschen dort gegen eine rätselhafte Krankheit zu impfen. Die Fahrt mit seinem Kutscher durch den nicht enden wollenden Schneefall wird eine Irrfahrt, bei der sie auf Zwerge, Riesen und merkwürdige Drogendealer treffen.

Sorokin steht in der Tradition großer russischer Erzähler wie Puschkin, Tolstoi und Tschechow und verbindet sie mit modernen und märchenhaften Elementen. „Der Schneesturm ist ein herrlich „verrücktes“, irrwitziges Buch, das bei aller Fantasie ganz realistisch wirkt und auch eine subtile politische Botschaft enthält. Ein Lesevergnügen!“

Bettina Flitner: „Meine Mutter“: Die gelernte Fotografin Bettina Flitner zeigt in diesem Buch, wie man sich durch aufrichtiges Erinnern von den Gespenstern der Vergangenheit und den unausgesprochenen Lasten der Familiengeschichte befreien und wie man den Tod von geliebten Menschen verarbeiten kann. Ein Buch, das einen sehr berührt. Auch ihr Buch „Meine Schwester“ ist empfehlenswert.

Charlotte Wiedemann: „Den Schmerz der anderen begreifen“: Die weitgereiste Journalistin Charlotte Wiedemann wirft, auf der Grundlage der veränderten Weltlage, einen neuen Blick auf unsere deutsche und europäische Geschichte.

Auf ihre sehr ausgleichende Art plädiert sie dafür, dass es in den Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen keine Rangfolge in der Bewertung von Leiderfahrung und Unrecht geben darf. Jeder Schmerz, egal auf welcher Seite eines Konflikts er erlitten wird, zählt gleich viel.

Jon Fosse: „Morgen und Abend“: Ganz anders als Sorokin ist Fosse, der 2023 den Literaturnobelpreis erhielt, ein Meister der stillen Töne. Erzählt wird in seinem kurzen Roman ein Tag im Leben eines einfachen Fischers, vom Morgen bis zum Abend. Die Begegnungen und Erlebnisse haben immer etwas Rätselhaftes, Verstörendes, deren Grund sich erst am Schluss erhellt. Fosse hat einen ganz eigenen Stil und einen sehr zärtlichen Blick auf seine Figuren, und man weiß beim Lesen nicht, ob man fröhlich oder traurig sein soll. Ein Meisterwerk!

Die empfohlenen Titel finden sich fast alle im Bestand der Stadtbibliothek, ebenso wie die Titel der Literaturpreisträger selbst, die ebenfalls lesenswert sind.

Daneben gibt es eine Leseliste des Bibliotheksteams mit aktuellen Titeln sowie weitere Empfehlungen.

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