„Wir sind kein Kanonenfutter“

von Redaktion

Lautstarke Proteste gegen Wehrdienst in Rosenheim

Rosenheim – Die Botschaft auf dem roten Banner ist eindeutig. „Steigt doch selbst in eure Panzer!“, steht dort mit weißer Schrift. Hinter dem Tuch, das fünf junge Menschen in der Rosenheimer Fußgängerzone in die Luft halten, hat sich eine kleine Gruppe an Demonstranten versammelt. Sie haben Holzschilder mit Aufschriften wie „Kampf dem Kapital“ oder „Krieg dem Krieg“ mitgebracht, aus einer Box dröhnt Rap-Musik. Ihr Ziel: zu zeigen, dass sie mit der Entscheidung, die nur wenige Stunden zuvor gefallen war, nicht einverstanden sind.

Am gestrigen Freitag hat der Bundestag nach längeren Diskussionen im Vorfeld mehrheitlich für die Einführung des neuen Wehrdienstes gestimmt. Mit diesem sollen die Truppen aufgestockt werden, zunächst auf freiwilliger Basis. Ab dem kommenden Jahr sollen nun alle Jungen und Mädchen der Jahrgänge ab 2008 – zunächst alle 18-Jährigen – einen Fragebogen erhalten. Mit diesen Fragen wird getestet, wer sich vorstellen kann und geeignet ist, zur Bundeswehr zu gehen. Für junge Männer ist in der Folge auch eine verpflichtende Musterung geplant.

Die Vorstellung, für mindestens sechs Monate einrücken zu müssen und an der Waffe ausgebildet zu werden, gefällt aber nicht allen. Bereits Tage vor der Bundestags-Entscheidung wurde unter jungen Menschen deutschlandweit für den 5. Dezember zu Protesten aufgerufen. In Rosenheim gründete sich das Bündnis „Gegen die Wehrpflicht Rosenheim“, Schulstreiks wurden angezettelt und Demonstrationen organisiert.

Während in München laut Polizeiberichten – bereits während der letzten ein bis zwei Schulstunden – rund 1.500 Menschen dem Aufruf folgten und am Freitag (5. Dezember) in der Innenstadt demonstrierten, blieb es in Rosenheim wesentlich ruhiger. Rund 30 bis 40 Demonstranten, darunter eine Handvoll Schüler, einige ältere Erwachsene und auch der ein oder andere Anhänger der Partei „Die Linke“, versammelten sich um 14 Uhr in der Münchener Straße. Ihre Meinung machten sie trotzdem lautstark deutlich. „Wir wollen sicher nicht unser Leben für einen Staat opfern, der nicht in unseren Interessen handelt“, sagte Justus, einer der Rosenheimer Demonstranten. Er und seine Mitstreiter wollten das neue Gesetz zum Wehrdienst nicht einfach hinnehmen. „Deswegen gehen wir heute auf die Straße“, betonte er. Das Gesetz sei nur ein weiterer Schritt in Richtung Militarisierung. „Anstatt Milliarden ins Militär zu pumpen, sollten sie für uns lieber richtige Schulen bauen und das Geld für ein gescheites Bildungssystem investieren“, sagte Justus.

Noch drastischer formulierte es ein anderer Demonstrant, der anonym bleiben möchte. „Das neue Gesetz ist nichts weniger als der umfassendste Angriff auf unsere Freiheit, unsere Körper und unser Recht, über unser eigenes Leben zu bestimmen“, sagte er.

Er fühle sich wie „Kanonenfutter für die deutschen Profite“. Zumal das „Märchen von der Freiwilligkeit“ des Wehrdienstes eine „glatte Lüge“ sei. Sobald sich nicht genügend Freiwillige finden, gebe es ganz schnell eine Wehrpflicht, ist der junge Demonstrant überzeugt. Er könnte nur dazu aufrufen, dass die jungen Menschen „für ein System kämpfen, indem wir nicht nur Material sind“.

Aus diesem Grund war auch Alun zur Demonstration gekommen. „Ich möchte nicht für diesen Staat in den Krieg ziehen“, sagt der junge Mann.

Er sei wegen seines Alters einer derjenigen, die jetzt im kommenden Jahr Post vom Bundesverteidigungsministerium bekommen. „Das ist scheiße, ich möchte noch in Ruhe die Schule fertigmachen“, sagte er, während der Schüler mit den anderen Demonstranten mit Polizeibegleitung eine Runde durch die Rosenheimer Innenstadt zog. Nach rund 45 Minuten war die Demonstration wieder beendet. Wie Hauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage mitteilt, habe es dabei auch keinerlei Probleme gegeben.

„Die Veranstaltung verlief völlig störungsfrei“, sagt er. Die Aufmerksamkeit der vielen Passanten und auch das ein oder andere Foto war den Demonstranten mit der Aktion dennoch sicher.

Julian Baumeister

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