Rosenheim – Im Städtischen Museum Rosenheim lagert eine außergewöhnliche Altposaune aus der Werkstatt des bekannten Nürnberger Instrumentenbauers Johann Carl Kodisch (1654 bis 1721). Es wird erzählt, dass der Rosenheimer Türmer Franz Xaver Berr sie einst besaß und an Heiligabend einen musikalischen Weihnachtsgruß vom Mittertor in die Stadt schickte. Das Instrument ist die weltweit einzige erhaltene Altposaune von Kodisch.
Choralstücke an
hohen Feiertagen
Das Städtische Museum Rosenheim beherbergt viele Zeugnisse der Rosenheimer Stadtgeschichte, darunter diese besonders wertvolle Altposaune. Wie sie in den Besitz des Museums kam und in welchem Jahr, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen. „Sie ist auf alle Fälle schon sehr, sehr lange hier“, weiß Museumsleiterin Andrea Krammer.
Die kunstvoll verzierte Posaune wurde 1982 restauriert und zeigt die für Kodisch charakteristische präzise Ausführung der Gravuren. Das flache Schallstück und der aufgesetzte Rand sind weitere typische Merkmale für seine Arbeit und die Nürnberger Handwerkskunst aus dieser Zeit. Klanglich erinnert das Instrument beinahe an eine Trompete und vermittelt auch heute noch einen einzigartigen, klaren Ton.
Franz Xaver Berr, der letzte Rosenheimer Türmer, soll diese besondere Altposaune einst besessen haben. Türmer wie Berr hatten in früheren Jahrhunderten vielfältige Aufgaben: Sie überwachten von hohen Türmen aus die Stadt, warnten bei Bränden oder Gefahren und bliesen täglich den „Aufzug“ – einen morgendlichen, mittäglichen und abendlichen Gruß, der weithin hörbar war.
An hohen Feiertagen wie Weihnachten spielte der Türmer gemeinsam mit anderen Musikern Choralstücke vom Mittertor aus, um so für festliche Stimmung zu sorgen.
Die Rosenheimer Türmer lebten nicht nur im Turm, sie führten auch dort ihren Beruf aus. „Wo heute im zweiten Stock der Kaufladen ausgestellt ist, bis etwa zum Bereich mit der Sakralen Kunst, reichte früher die Wohnung der Familie Berr“, erzählt Andrea Krammer. Fließendes Wasser oder Heizung gab es damals im Mittertor noch nicht – das Leben war also alles andere als einfach.
Von welchem Fenster aus Berr die Altposaune spielte, lässt sich nicht genau sagen; möglicherweise war es ein Fenster bei der Wendeltreppe in den Turm hinauf oder eines der Fenster im ersten Stock.
Was man dagegen sehr genau weiß: Im Jahr 1920 zog Berr schließlich aus den Räumlichkeiten im Mittertor aus. Mit Berr junior verlagerte sich das Gewicht der musikalischen Aufgaben deutlich vom reinen Türmerdienst hin zum Amt des städtischen Musikmeisters. Als Musikmeister dirigierte Berr die Rosenheimer Stadtkapelle, die bei Messen, Festzügen, offiziellen Feierlichkeiten und Begräbnissen spielte. Diese Kapelle setzte sich aus seinen Schülern zusammen, denen er auch Unterricht erteilte.
Die Ausbildung des jungen Berr erfolgte in verschiedenen Orchestern in München, bevor er als Berufsmusiker Geige im Orchester des Walzerkönigs Johann Strauß in Wien spielte. Ein Teil des dort Gelernten floss in Berrs Eigenkompositionen ein.
Sein umfangreicher Notennachlass umfasst Märsche, Polkas, Walzer und bürgerliche Salonmusik der Jahrhundertwende, die heute im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Bis zu seinem Tod spielte Berr unter anderem im Hofbräu für die Rosenheimer Bevölkerung. Berr junior wurde 73 Jahre alt.
Ein Erbe,
das bis heute klingt
Nach seinem Tod wurde die Stelle des Türmers nicht mehr besetzt und damit war dann auch Schluss mit den Bläsergrüßen aus dem Mittertor. Doch auch heute, mehr als ein Jahrhundert später, erfüllt Musik in Rosenheim die Weihnachtszeit – ob bei festlichen Konzerten, in den Kirchen oder in den Wohnzimmern: Sie lässt den Geist der alten Bläsergrüße noch immer lebendig werden.