„Jungs, wir können es auch noch!“

von Redaktion

Michael Ballack über die Selbstheilungskräfte der Bayern, die Transferpolitik und das Duell mit PSG

München – Michael Ballack hat den FC schon vor elf Jahren verlassen, doch er ist in München noch immer ein vertrautes Gesicht. Auf der Wiesn trat er zuletzt ebenso auf wie vor wenigen Wochen bei einem Sponsorentermin, und heute wird er in der Muffathalle beim Eurosport Player Event zu sehen sein. Ballack (40) gewann mit den Bayern zwischen 2002 und 2006 dreimal das Double, ehe er zum FC Chelsea wechselte. Für mehrere englischsprachige Fernsehsender beobachtet er den internationalen Fußball. Auch den FC Bayern.

-Herr Ballack, vor einer Woche wäre dies ein Gespräch über den FC Bayern und sein Krisenmanagement gewesen. Herrscht nach zwei souveränen Siegen tatsächlich wieder Ruhe?

Ich habe es geahnt. Das ist ein normaler Prozess, wenn die Bayern kritisiert werden: Diese außerordentlich guten Spieler haben erstens eine enorme Klasse und halten zweitens dem Druck und der Erwartungshaltung stand. Gerade in diesen schwierigen Situationen. Natürlich ist Spannung da. Aber wenn die in die richtige Richtung gelenkt wird, kommen auch Top-Leistungen raus.

-Wie ernst nehmen Sie Schwächephasen zu diesem frühen Zeitpunkt?

Ich habe immer gesagt: Wenn du Bayern bewerten willst, musst du den März, April abwarten, wenn die Champions League in die entscheidende Phase geht. Das ist wie in der Nationalmannschaft. Da sprichst du auch nicht über die Qualifikation.

-Vielleicht hält die aktuell wieder gute Stimmung aber auch nur bis zur nächsten Niederlage.

Man muss ehrlich sagen: die Vorbereitung war schon schwierig, die Asien-Reise sehr stressig. Trotzdem kann der Klub es sich erlauben, solche kommerziellen Reisen mit einer sportlichen Vorbereitung zu verbinden. Diesen Spagat musst du schaffen. Die Bayern wissen selber, dass es im Moment noch nicht das Optimum ist.

-Übertünchen zwei Siege die grundsätzlichen Konflikte – Müller, Lewandowski, Ribery – nur?

Die Spieler haben ja den Vergleich. Sie wissen, was es heißt, erfolgreich zu sein, Meisterschaft oder Champions League zu gewinnen. Dann malst du dir aus: Was kann ich erreichen? Natürlich schaust du auch auf die anderen Vereine und was die für Ausgaben tätigen. Und dann kommen solche Aussagen zustande. Robert Lewandowski ist 29, er hat die Champions League noch nicht gewonnen und macht sich halt seine Gedanken.

-Mit welchem Klub er sie am ehesten gewinnen kann?

Sein primäres Ziel ist ja, sie mit dem FC Bayern zu gewinnen. Darauf weist er auch hin. Wenn er damit schon abgeschlossen hätte, würde er diese „Baustelle“ nicht aufmachen. Er ist ein absoluter Weltklassespieler. Aber wenn so jemand mit dem FC Bayern erfolgreich sein will, dann muss er das auch ansprechen können.

-Wie kommt sowas in der Kabine an?

Es gibt Führungsspieler, die nehmen sich das einfach raus. Ich finde, das dürfen sie, wenn es im Rahmen bleibt. Das war okay. Er hat niemanden angegriffen.

-Wie würden Sie dieses Interview mit dem von Philipp Lahm 2009 vergleichen, als er eine komplett neue Philosophie anmahnte?

Ich finde, Roberts Interview hat nicht diese Dimension, wie bei Philipp, der viel grundsätzlichere Dinge angesprochen hat. Robert geht es um die Transferpolitik. Das ist ja auch alles noch sehr frisch, und er hat früh genug darauf hingewiesen. Nicht dass der Zug abfährt. Ich hatte als Außenstehender nicht das Gefühl, dass er Spieler angreift.

-Die Frage nach der künftigen Transferstrategie liegt auf der Hand. Andere Vereine agieren seit einiger Zeit sehr offensiv. Sollte der FC Bayern ebenfalls stärker angreifen?

Da gibt es kein Patentrezept. Wenn man das Gefühl hat, der eine oder andere Transfer ist nötig, um das Niveau noch ein bisschen anzuheben, bin ich mir sicher, dass die Bayern auch aktiv werden. Aber der Punkt ist: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben selber gespielt. Sie haben Ahnung und werden dreimal überlegen, ob sie ihr hart verdientes Geld leichtfertig ausgeben. Ein Investor wird vielleicht pragmatischer vorgehen.

-In Paris, beim nächsten Gegner in der Champions League, geht man mit dem Geld definitiv lockerer um.

Auch PSG wird in der Zukunft Spiele verlieren. Auch mit diesem Kader.

-Schon gegen Bayern?

Das ist natürlich eine Super-Standortbestimmung für Paris. Umgekehrt bekommen die Bayern auch eine. Für sie ist es eine gute Situation. Sie sind nicht Außenseiter, aber PSG mit all den Investitionen steht natürlich unter einem ganz anderen Druck. Die Robbens und Riberys können zeigen: Hört mal, Jungs, wir können es auch noch!

-Ist es zu hoch gegriffen, wenn man von einem Kulturkampf zwischen neuem und altem Geld spricht?

Ich denke, es ist ein Zeichen für die Bayern: Lohnt es sich, vielleicht die eine große Investition mehr zu tätigen? Aber nicht generell, sondern spielerbezogen.

Das Gespräch führte Marc Beyer

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