München – Im Fußball können sich die Dinge allgemein schnell ändern, beim FC Bayern aber ganz besonders. Für ein schönes Herbstrumoren braucht es in diesem Verein bloß ein paar Tage, wenn in diesen wenigen Tagen gegen Hoffenheim verloren und gegen Anderlecht nur sehr krampfhaft gewonnen wird. Genauso schnell können sich die Septemberwolken aber auch wieder verziehen. Man braucht lediglich innerhalb von vier weiteren Tagen Mainz schlagen und die aufmüpfigen Schalker zurechtstutzen, dann kann man als Trainer so lässig in die Presserunde schauen wie gestern Carlo Ancelotti und dabei brummen, man befinde sich „in einem guten Moment“.
Weil Fußball ein Ergebnissport und nichts wichtiger als der Augenblick ist, stimmt das in gewisser Weise sogar. Die latente Exlosionsgefahr, die rund um das Anderlecht-Spiel herrschte, ist vorerst gebannt. Aber hinter der nächsten Ecke kann jederzeit eine neue Debatte warten oder gar ein ausgewachsenes Krisenszenario. Anfang der Woche hätte Ancelotti ja auch nicht geahnt, dass er den langfristigen Ausfall des aus Prinzip unersetzlichen Manuel Neuer moderieren muss.
Als sich die beiden gestern an der Säbener Straße trafen, war der erste Schock auf beiden Seiten schon überwunden. Die Operation sei „sehr gut verlaufen“, sagt Ancelotti, „jetzt braucht Manu Erholung“. Das klang bemerkenswert gefasst, wenn man bedenkt, dass die Bayern sich zuletzt im Zentrum einer hitzigen Diskussion wiedergefunden haben, die sich mit der heiklen Frage beschäftigte, warum Neuer so schnell an selber Stelle Schaden nehmen konnte. Man habe die Entscheidung, den Torwart Ende August wieder aufzustellen, gemeinsam getroffen, wehrt sich Ancelotti: „Der Spieler, die Ärzte und ich.“
Die Bayern haben nach der Verletzung Neuers rasch umdisponiert und nicht nur ihrem 17-jährigen Nachwuchskeeper Christian Früchtl die Reise zur U 17-WM storniert, sondern auch Tom Starke aus dem Ruhestand und der Anschlusskarriere in der Nachwuchsakademie zurückbeordert auf den Trainingsplatz. Die vormalige Nummer drei (hinter Neuer und Sven Ulreich) wird auch künftig dritter Mann sein (hinter Ulreich und Früchtl), ohne deshalb seinen Job auf dem Campus vollständig zu vernachlässigen. Gestern war er schon wieder bei der ersten Mannschaft im Dienst und gab anschließend im Klub-TV gut gelaunt ein Interview, als sei er nie weggewesen.
Es ist ein stetes Kommen und Gehen. Arjen Robben, der am Dienstag auf Schalke grippebedingt fehlte, steht heute Abend gegen den VfL Wolfsburg wieder zur Verfügung. Thiago, der zuletzt geschont wurde, muss dagegen erneut pausieren. zunächst wollte Ancelotti mit der Wahrheit nicht so recht raus und sprach geheimnisvoll von einem „kleinen Problem“. Dann ergänzte er doch, dass es sich um Schwierigkeiten am Schambein handle.
Erfahrungsgemäß können solche Blessuren sehr lange Pause nach sich ziehen, ungefähr so lange wie Haarrisse im Mittelfuß. Bei Thiago soll es sich aber lediglich um einen Schlag handeln, den er im Training abbekommen habe. Am Mittwoch, wenn die Bayern bei Paris St. Germain ihr bisher schwerstes Saisonspiel bestreiten, rechnet Ancelotti wieder mit ihm. Gleiches gilt für David Alaba, der rechtzeitig von seiner Sprunggelenksverletzung genesen soll. In den fünf Tagen bis zum Anpfiff im Prinzenparkstadion kann aber auch noch viel passieren. marc beyer