Ancelotti und die Trainer-Zunft

Entenmanns Erben

von Redaktion

Der verstorbene Willi Entenmann ist als Trainer eher unterschätzt worden; um den loyalen Arbeiter gab es nie große Schlagzeilen. Dabei krempelte er einst den Nachwuchs des VfB Stuttgart so um, dass der Klub bis heute davon zehrt. Und die VfB-Profis rettete er gelegentlich als Interimstrainer vor Debakeln. Vielleicht hinderte ihn sein Name am Einzug in die Ruhmeshallen. Einmal lautete eine Schlagzeile vor einem Gastspiel des VfBs: „Die Entenmänner kommen!“ War als Lob gemeint, es steckte ja viel von ihm in dem Klub. Las sich aber despektierlich.

Heute schreibt man Zeiten, in denen Trainer endgültig zu den stilbildenden Figuren geworden sind, die sie kraft ihres Amtes ja schon immer sein sollten. Als Entenmann wirkte, waren Übungsleiter oft das schwächste Glied, den Ton gaben die Chefs auf der Tribüne und der eine oder andere Platzhirsch unten auf dem Rasen an. Selbst Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes verdankten in der Folge ihre Coups mehr ihrem Gespür für Menschen als für Taktik. Inzwischen aber brüten die Trainer Matchpläne aus, haben einen Plan B bis C in der Tasche und sind auch sonst in der Lage, während einer Partie einzugreifen. International gilt Pep Guardiola als Nonplusultra, doch auch die Handschrift einzelner hiesiger Übungsleiter ist längst unverkennbar. Jürgen Kopp, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco, Christian Streich, Peter Stöger – allen kann man eine spezielle Philosophie zuschreiben.

Carlo Ancelotti wirkt da ziemlich aus der Zeit gefallen. Gerade mit Blick auf die Partie bei Paris St. Germain werden Erinnerungen an die Duelle mit Real Madrid im Frühjahr wach, als das überschaubare Repertoire des 58-Jährigen offensichtlich wurde. Sein Mangel, auf den Spielverlauf einzuwirken, gipfelte im Nicht-Auswechseln des von einem Platzverweis bedrohten Arturo Vidal. Ancelotti hat im letzten Jahr eine erste Elf plus zwei bis drei Ergänzungskräften trainiert und zeigte dabei kein Interesse, das viele Potenzial im Kader voll auszuschöpfen. Auch heuer ist von einer Vision wenig zu sehen. Der Italiener rotiert zwar mehr, doch seine Maßnahmen muten beliebig an, ohne großen Kontext. Kaum zeitgemäß, dafür reicht ein Blick nach Hoffenheim. Zumal „die Nagelsmänner“ ja auch noch wesentlich furchteinflößender als „die Entenmänner“ klingt.

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