Tage wie diese

von Redaktion

Die Bayern fliegen verkatert nach Paris – vom Torwart bis zur Taktik passt bedenklich wenig

VON ANDREAS WERNER

München – Natürlich haben alle pflichtschuldig die Masskrüge gehoben, um sich im Sinne des Brauereisponsors zünftig zuzuprosten. Die Profis des FC Bayern saßen am Samstag im „Käfer“ auf der Wiesn, doch die Schunkellust hielt sich in Grenzen. Schon am Abend zuvor hatte Sportdirektor Hasan Salihamidzic ja prophezeit: „Das wird ein ganz schöner Scheißtag.“

Wiesnzeit ist gewöhnlich die Phase, in der der FC Bayern seine Vormachtstellung in der Bundesliga mit dem einen oder anderen lockeren Schützenfest demonstriert. An Tagen wie diesen hat man das Gefühl, das „Mia san mia“ werde in Masskrügen verabreicht, wobei am Ende freilich die Gegner den Kater haben. Nach dem 2:2 am Freitag gegen den VfL Wolfsburg aber waren es die Gäste, die über einen Schenkelklopfer nach dem nächsten lachten. „Ein blindes Huhn trifft auch mal ein Korn“, witzelte Maximilian Arnold über den Freistoß, mit dem er Sven Ulreich übel düpiert hatte. „Danach sind die Eier gewachsen, die waren kurzzeitig weg, die waren im Schienbeinschoner.“ Auf dem Oktoberfest gehört „Tage wie diese“ von den „Toten Hosen“ zum Repertoire jeder Bierzeltband – wenn nun die Bayern-Gegner scherzen, ist das wie ein Wienshit in Moll.

„Wir haben den Sieg weggeschmissen“, sagte Thomas Müller, „das war nicht unser bester Tag in Positionsspiel und geistiger Frische. Wir haben das passieren lassen.“ Es war schon merkwürdig, einmal mehr, wie das Spiel der Bayern plötzlich ins Leere ging, diesmal sogar trotz einer 2:0-Führung zur Pause. „Wir hatten Lücken, die wir nicht haben wollten“, meinte Müller, während der Schütze zum 2:2 ganz locker Entlarvendes ausplauderte. Daniel Didavi kam nach einer Stunde in die Partie, mit „Wut im Bauch“, weil er gerne von Beginn an gespielt hätte – aber auch mit einem Wissensvorsprung. Die Stunde auf der Bank hatte er zur Fortbildung genutzt: „Ich habe gesehen, dass die Bayern uns viel Raum lassen.“ Er hatte sich richtig gefreut, reinzukommen und sich dort austoben zu können. Sapperlot – was ist mit den Bayern los?

Dass die Taktik nicht passte, gab neben Müller auch Mats Hummels unumwunden zu. Carlo Ancelotti habe seinen Spielern zwar gesagt, sie sollen nur pressen, wenn sie geordnet stehen, „aber wir haben trotzdem gepresst“. Da steckt nun wieder viel Raum für Interpretationen drin: War der Matchplan von Anfang an nicht gerade genial? Nehmen die Spieler das Zepter zu sehr selbst in die Hand? Fehlt ihnen die Frische für das, was notwendig ist? Jede dieser Fragen hat Brisanz und zielt auf die Kernfrage ab, wie groß der Einfluss von Trainer Ancelotti noch ist. Die Bayern fliegen verkatert zum Spitzenspiel zu Paris St. Germain.

Die Taktik passt nicht, und die Planstelle Torwart macht Sorgen. Ausgerechnet jetzt, wo man einen Manuel Neuer dringender denn je bräuchte, um Unpässlichkeiten der Vorderleute in letzter Instanz zu entschärfen, hat sich sein Vertreter Ulreich angreifbar gemacht. „Das 1:2 geht auf seine Kappe, das weiß er, er hat sich entschuldigt“, sagte Müller, der Keeper selbst gab bei seiner Analyse auch sofort den reuigen Sünder. Er habe „die falsche Entscheidung getroffen“. Der Ball habe „geflattert, ich wollte ihn über die Latte lenken, daher war meine zweite Hand nicht dabei“. Das werde nun „zwei, drei Tage an mir nagen“, sagte er. Vorwürfe von den Kollegen gab es keine, meinte Müller: „Er wird in Paris nicht mit der Zitterhand auflaufen.“

Vielleicht hat die eine oder andere Maß ja beruhigt, aber momentan begleiten die Bayern die Zweifel überall hin, ob im „Käfer“ oder an den Eiffelturm. Wie viel Bier erlaubt war, blieb im Übrigen unergründlich. „Die Spieler können trinken, was sie wollen. Ich bin nicht ihr Papa oder Bruder. Ich bin nur der Trainer“, sagte Ancelotti. Klang wie: Macht’s, was Ihr wollt. Wird eh ein Scheißtag.

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