Bob

Aus Blech mach Gold

von Redaktion

Vielversprechende Tests im BMW-Windkanal: Olympiaschlitten kann in Summe knapp eine halbe Sekunde einsparen

von hanna raif

München – Thorsten Margis ist ein großer Mann, ein sehr großer sogar. 1,92 Meter misst der Anschieber von Doppel-Weltmeister Francesco Friedrich, und wenn man sich im Vergleich die Dimension eines Viererbobs anschaut, erkennt man die Schwierigkeit, vier Kerle dieser Kategorie in diesem Gerät unterzubringen. Am vergangenen Samstag ist es gelungen. Und zwar so gut, dass Friedrichs Konkurrent Johannes Lochner als Beobachter des Tests im Windkanal von Technologie-Sponsor BMW fragte: „Hat jemand den Thorsten gesehen?“

Margis saß im Bob, freilich – er war einer der vier Jungs, denen in dem Moment, in dem Lochner Pause hatte, Winde mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h entgegen strömten. Aber der Berchtesgadener Weltmeister hatte Recht: Margis saß so, dass man seine Sitzposition nur erahnen konnte. Nicht mal die Oberfläche seines Helmes blitzte aus dem Bob heraus, den der österreichische Privatanbieter Johannes Wallner den beiden Weltmeistern Lochner und Friedrich für die olympische Saison gebaut hat. Als die Außenstehenden – BMW-Ingenieure wie Betreuer des Verbandes BSD – die Szenerie hinter der Glasscheibe des Windkanals sahen, hatte die viele Arbeit der vergangenen Monate plötzlich Sinn.

„Das ist der Unterschied zwischen Blech und Gold“, sagte Thomas Hahn, Leiter des BMW Technologietransfers, über die aerodynamischen Verbesserungen, die der Olympia-Bob gegenüber jenem der Vorsaison aufweist. Bei Friedrich etwa, den in den letzten Kurven vor allem die zu hohe Sitzposition von Margis oft ausgebremst hatte, sind das im Vergleich zu den Messungen des Wallner-Modells von 2016/17 rund sechs Prozent. Grob überschlagen rechnet man – wenn man ein Prozent mit etwa 0,02 Sekunden pro Lauf gleichsetzt – mit 0,12 Sekunden Gewinn. In der vier Durchgänge umfassenden olympischen Entscheidung könnte Friedrich sich so – theoretisch – um knapp eine halbe Sekunde verbessern.

Die Stimmung war natürlich gelöst am Samstag, denn „die Spannung“, sagte Hahn, „ist schon immer groß, ob das, was man am Rechner gemacht hat, auch passt“. Die Bestätigung knapp einen Monat vor dem Saisonstart in Lake Placid sei nun vor allem „wichtig für die Psyche der Piloten“. Sowohl Friedrich, der zuvor sogar einen Sitzplatz-Tausch in seinem Bob in Erwägung gezogen hatte, als auch Lochner wissen, dass ihre Schlitten noch mal besser laufen dürften als jene, mit denen sie bei der Heim-WM am Königssee Doppel-Gold für Deutschland geholt haben.

Erkenntnisse, für die tausende Stunden Tüftelei nötig waren. Das Resultat, sagte Hahn wie Simulations-Experte Holger Gau, sei nun das Ergebnis der „offenen Arbeitsatmosphäre“, in der das „Knowhow der Einzelpersonen“ gebündelt wurde. Wallner etwa, früher selbst Pilot, sei „ein absoluter Bauchmensch“, dessen Ideen erst mal vom Skizzenblock „übersetzt, gescannt und remodelliert“ werden mussten. Auf der Basis des Vorgänger-Modells wurde der neue Schlitten schließlich mithilfe eines Konstruktionsprogramms digital entworfen und die Ergonomie an beide Piloten angepasst.

Innerhalb von wenigen Minuten kann das Modell am PC verändert werden. Als die Form – der Bob ist etwas länger als im Vorjahr – stand, half BMW mit der Expertise aus dem Autobau auch beim Fräsen der Karbonfasern. Hahn spricht von „einer Evolution, keiner Revolution“. Der Effekt ist trotzdem groß.

Die Zusammenarbeit zwischen dem BSD und BMW ist nicht neu, in diesem Jahr aber intensiviert worden. Die Windkanal-Tests haben nun aufgezeigt, wo die letzten Widerstände noch minimiert werden können, „wir müssen jede Hundertstelsekunde zusammenkratzen“, sagte Lochner – bei dem die prozentuale Verbesserung übrigens nicht ganz so groß war wie bei Friedrich. Ein Grund zur Sorge ist das aber nicht. Denn Lochner war schon in der vergangenen Saison aerodynamisch im Vorteil. Sein vierter Anschieber Christian Rasp misst „nur“ 1,83 Meter.

Artikel 3 von 11