München – Keith Aucoin zögerte kurz. Er hätte einfach schießen können, vielleicht sogar schießen sollen. Bremerhavens Torhüter Jaroslav Hübl jedenfalls hatte sich schon in die typische Abwehrhaltung begeben, auch die Fans im Olympia-Eisstadion malten sich bereits aus, in welcher Torecke der Puck wohl einschlagen würde. Nur Aucoin zögerte noch. Und nachdem er zu Ende gezögert hatte, entschied der Stürmer des EHC München sich, eben nicht zu schießen, sondern den Puck gefühlvoll einen Meter nach links zu schieben.
„Er glaubt vielleicht, dass er keinen guten Schuss hat“, sagte EHC-Trainer Don Jackson später. Das versuche er ihm natürlich auszureden, doch Ratschläge dieser Art müsse er ihm nicht mehr erteilen. Denn: „Keith weiß, wo der Puck hin muss.“
Aucoin hatte die Scheibe am Sonntag nämlich nicht einfach so weitergeleitet. Er hatte entdeckt, was der Verteidigung entgangen war. Dass dort, einen Meter links von ihm, der schussgewaltige Steven Pinizzotto unbewacht wartete. Also passte Aucoin – und Pinizzotto traf. Der Vorbereiter hatte die richtige Entscheidung getroffen – wie fast immer in diesen Wochen.
Obwohl er im November bereits 39 Jahre alt wird, dreht Keith Aucoin gerade richtig auf. Alleine am vergangenen Wochenende hat er sieben der zehn EHC-Tore – München besiegte Straubing mit 5:2 und Bremerhaven mit 5:3 – vorbereitet. Die Scorerliste der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) führt er mit 21 Punkten (drei Tore, 18 Assists) deutlich an.
„Es ist schon ziemlich lange her, dass ich irgendwo der Topscorer war“, sagt Aucoin. Solche Listen schaue er sich ohnehin nur selten an. „Als ich jünger war, habe ich das noch öfters getan. Jetzt geht es nur noch ums Gewinnen. Es geht um Meisterschaften.“
Diese Einstellung hat Aucoin nach München transportiert. Seitdem der EHC ihn vor zwei Jahren verpflichtet hat, hat der Klub nur vier Playoffspiele verloren – und zweimal den Thron des deutschen Eishockey erobert.
In München haben sie ihrem Kader schon viele außergewöhnliche Eishockeyspieler hinzugefügt. Doch Aucoin verlieh dem EHC-Spiel ein Element, das zuvor fehlte. Der Stürmer findet Passlücken, die andere gar nicht sehen. Trainer Don Jackson hat dem genialen Vorlagengeber daher die zwei Torjäger Steven Pinizzotto und Brooks Macek zur Seite gestellt. Aucoin hilft das: „Ich schaue immer zuerst, ob ich den Puck abspielen kann.“
Diese Fähigkeiten durfte er auch schon in der NHL vorführen. Doch um in der besten Liga der Welt mitzuhalten, fehlte ihm die Geschwindigkeit. „Ich war nie der Schnellste“, gesteht Aucoin. Körperlich hätten ihn auch manche DEL-Spieler abgehängt. „Aber ich bin etwas klüger als sie.“ Trainer Don Jackson sieht das ein wenig anders. „Er hat gut auf seinen Körper aufgepasst“, sagt er. Ein Kompliment, das Aucoin gewohnt uneigennützig weitergibt: „Das liegt an meiner Frau. Sie macht vor Spielen ein großartiges Essen.“