Tiroler Bewerbungs-Debakel

Die olympische Krankheit

von Redaktion

So richtig überraschend ist das Tiroler Olympia-Debakel ja nicht gekommen. Schließlich mussten in der jüngeren Vergangenheit auch schon andere prominente Möchtegern-Bewerber die bittere Erfahrung machen, dass zumindest die Winterversion dieses Mega-Events nicht mehr gut ankommt in der Bevölkerung. München und Garmisch-Partenkirchen erlebten 2013 bei Bürgerentscheiden ein Fiasko, ähnlich erging es Oslo, Stockholm und Graubünden. Und doch ist es – zumindest für die Freunde des Sports – nur schwer nachvollziehbar, warum sich die Tiroler nun so unlustig verhielten und 53 Prozent den Wettstreit im Zeichen der fünf Ringe ablehnten. Schließlich erfüllt diese Traumregion des Wintersports alle Kriterien für eine erfolgreiche Kandidatur: Tradition, idyllische Bergwelt, Sportbegeisterung und – ganz wichtig – bereits vorhandene Wettkampfstätten. Besser geht’s nicht.

Doch das Tiroler Nein offenbarte einmal mehr, dass die vom IOC gehändelten Winterspiele inzwischen ein massiv abschreckendes Image haben. Olympia wird von vielen wie eine Krankheit empfunden, gegen die es sich zu wappnen gilt. Die Skandale der Vergangenheit lassen sich eben nicht so ohne weiteres abschütteln. Und das Tiroler Ergebnis zeigte somit auch, dass die von IOC-Präsidenten Thomas Bach ins Werk gesetzte olympische Reform-Agenda 2020 bislang keine öffentlichkeitswirksamen Effekte nach sich gezogen hat. Weitaus stärker wahrgenommen wurde da zuletzt die Empörung um den brasilianischen NOK-Chef und Rio-Macher Carlos Nuzman, der aufgrund von Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste. Die olympische Krankheit ist offenbar nur schwer auszurotten.

Doch was ist die Alternative? Olympische Winterspiele grundsätzlich zu verdammen? Dagegen spricht, dass die Faszination dieses Sportevents sicher noch nicht so ramponiert ist, wie viele glauben möchten. Olympia hat weiterhin sein Milliardenpublikum, für die Sportler ist dieser Medaillenkampf nach wie vor Antrieb und Höhepunkt ihrer Karriere. Olympia bietet immer noch eine Bühne, auf der weltweit Glanz verbreitet werden kann. Das anhaltende Misstrauen richtet sich jedoch – aus guten Gründen – gegen die Protagonisten hinter den Kulissen. Solang diese Vorbehalte nicht ausgeräumt sind, werden Winterspiele, zumindest in der westlichen Welt, kaum mehrheitsfähig sein.

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