heynckes baut auf thiago

Wie beim Triple, nur besser

von Redaktion

von hanna raif

München – Als das (zu) viel zitierte „Thiago oder nix“ über die Lippen von Pep Guardiola kam, war bei Jupp Heynckes die Zeit angebrochen, in der er endlich tiefenentspannt sein konnte. Der Triple-Trubel war im Hochsommer 2013 ein wenig abgeebbt, daheim in Schwalmtal war das neue Rentner-Leben grad schön, und was 500 Kilometer entfernt an der Säbener Straße in München passierte, war zwar interessant, aber nicht mehr Lebensmittelpunkt des damals 68 Jahre alten Mannes. Heynckes spulte also sein Freizeitprogramm ab und informierte sich hier und da, was sein Nachfolger mit seinem Erfolgskader so vorhatte. Guardiola hatte klare Vorstellung, manchmal zu klare. Aber heute, mehr als vier Jahre, ein paar Meisterschaften und aberwitzige Entwicklungen beim Branchenführer später, freut sich Heynckes, dass auch er von diesem „Thiago oder nix“ profitieren dürfte.

Am Freitag, noch bevor der Rückkehrer sein erstes (bzw. 1012.) Bundesliga-Spiel auf der Trainerbank absolviert hatte, war sein Urteil über den Kader im Jahr vier nach seinem eigentlichen Abschied schon gefällt. Eine Woche Training, vier Einheiten hatten genügt, um zu dem Schluss zu kommen, dass „unser Spielerpotenzial größer ist als in der Triple-Saison“. Damals vertraute Heynckes einer Stammelf, die keine Superstars in ihren Reihen hatte, aber funktionierte wie automatisch.

Sie war aufgebaut um Führungsspieler und zugeschnitten auf die Offensive um Arjen Robben, Franck Ribery, Thomas Müller und Mario Mandzukic. Ähnlich wird Heynckes es auch in seiner vierten Amtszeit angehen. Spieler wie Mats Hummels, Robert Lewandowski und Joshua Kimmich bringen individuell noch größere Qualität mit. Und dann ist da halt Thiago, der – auf andere Weise wie 2013 Bastian Schweinsteiger – Akzente setzen kann, die jedem Top-Team guttun. Für Heynckes’ Aussage ist er der beste Beweis.

So ganz sicher konnte man sich vor dem 5:0 gegen Freiburg nicht sein, wer neben (dem nun verletzten) Javi Martinez auflaufen würde. Thiago oder Sebastian Rudy waren die Kandidaten, die am höchsten gehandelt wurden, Corentin Tolisso folgte mit kleinem Abstand. Heynckes entschied sich – obwohl er zuvor betont hatte, die Defensive stärken zu wollen – für den Spanier, der das Vertrauen zurückzahlte.

Er traf nicht nur zum 3:0, sondern war neben seinem Mittelfeld-Partner Martinez der beste Mann auf dem Platz. Weil er nicht nur nach vorne – wo er die Freiheiten bekam, auf der Zehn zu agieren – teils zeigte, wozu er fähig ist, sondern auch hier und da mal dazwischengrätschte und den winzigen Hauch der Freiburger Angriffe unterband. Der Trainer, berichtete Hummels später, habe „allen klar gemacht“, dass „man maximal einen, im größten Fall zwei Spieler tolerieren“ könne, „die nicht so mitarbeiten in der Defensive“. Sonst sei man „keine gute Mannschaft“.

Natürlich ist es zu früh, um ein Urteil darüber zu fällen, wie gut dieses Team unter Heynckes ist bzw. werden kann. Erste Erkenntnisse darüber werden die kommenden Wochen bringen, in denen sechs Spiele binnen zweieinhalb Wochen anstehen, unter ihnen die beiden in Pokal und Liga gegen RB Leipzig und den BVB. Partien, in denen sich diejenigen zeigen können, die sich in Heynckes’ Stammteam fürs Frühjahr sehen. Der Plan sah vor, Martinez für Grobe und Thiago fürs Leichtfüßige aufzustellen, um davor Müller seine Freiheiten zu geben. Da Martinez nun wegen Schulterproblemen mindestens morgen (20.45 Uhr) gegen Glasgow und wahrscheinlich noch ein bisschen länger ausfallen wird, muss Heynckes umdenken.

Rudy, Tolisso und bald auch wieder Vidal stehen als Stellvertreter zu Auswahl. Man weiß nach der Premiere aber deutlich besser als vorher, welche Heynckes’ favorisierte Besetzung ist, wenn alle fit sind. Warum Guardiola Thiago so unbedingt wollte, hat der 26-Jährige übrigens bisher ab und an mal gezeigt (besonders vor ziemlich genau einem Jahr), aber nicht kontinuierlich. Gelegenheit dafür gäbe es ab sofort. Heynckes ist ja extra noch mal aus Schwalmtal zurückgekehrt, um sich von diesem Satz, den er damals so nebenbei aufschnappt hat, zu überzeugen.

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