Dortmund vor Aus in der Königsklasse

Es menschelt kein bisschen

von Redaktion

„Menscheln“, das war vor etwas mehr als einem Jahr im Umfeld des FC Bayern die Vokabel aller Vokabeln. Und mit etwas Abstand betrachtet beinhaltet es doch eine gute Portion Ironie, dass sie damals ausgerechnet im Zusammenhang mit Carlo Ancelotti inflationär gebraucht wurde. Hinterher ist man immer schlauer, aber in den Wochen und Monaten, nachdem der Italiener an der Säbener Straße vorstellig geworden war, dachten Verantwortliche wie Außenstehende wirklich, dass der nette Carlo das Gegenstück zum verkopften Pep sein würde. Einer für das Binnenklima, einer zum Liebhaben. Nun ja . . . es kam anders.

Das Schöne am Fußball ist ja, dass manche Dinge sich verlässlich wiederholen, besonders zu beobachten nach Trainerwechseln. Auch in Dortmund sprach man zu Beginn der Saison davon, dass unter dem sympathischen Holländer Peter Bosz alles besser sei, als es unter dessen Vorgänger Thomas Tuchel (passenderweise ein Guardiola-Verehrer) war. Der Start gelang, Siege gegen Wolfsburg (3:0), Köln (5:0) und vor allem Mönchengladbach (6:1) beeindruckten, und während die Bayern in die Krise schlitterten, spielte sich der BVB regelrecht in einen Rausch. Die Liga freute sich: Endlich ein Widersacher, endlich ein spannender Meisterkampf. Ein paar Wochen später aber sieht es so aus, als ob es . . . nun ja . . . doch anders kommen wird.

Klar, der BVB hat in der Liga nach wie vor zwei Punkte Vorsprung. Der Auftritt beim blamablen 1:1 in Nikosia aber besiegelte nicht nur das so gut wie sichere Aus in der Gruppenphase der Champions League, sondern sprach auch für den aktuellen Zustand des Teams. An individueller Klasse mangelt es nicht, an mannschaftlicher und mentaler aber gewaltig. Wenn man seine letzte Chance auf ein Weiterkommen bei einem Gegner verspielt, der bestenfalls deutsches Zweitliga-Niveau aufweist, dann passt die Bezeichnung „Topteam“ kein bisschen.

Auf Twitter wurde gestern ein lustiges Statement verbreitet. Sinngemäß: Wenn Uli Hoeneß bei Borussia Dortmund das Sagen hätte, wäre Peter Bosz gestern Nacht um 3.30 Uhr entlassen worden. Die Anspielung auf das Aus von Ancelotti nach der Pleite in Paris mag ein wenig überspitzt sein, ganz fehl am Platz aber ist sie nicht. Denn auch Bosz selbst – bei Ajax Amsterdam für seine oftmals „naiven Aufstellungen“ kritisiert – hat mit seinem Wirken für Verunsicherung in der Mannschaft gesorgt. Sein bedingungsloses Offensivspiel gegen Real (1:3) und Tottenham (1:3) sorgte für jene Pleiten, die das Gesamtgefüge letztlich bröckeln ließen. „Menscheln“ tut es im Westen der Republik im Moment nicht.

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