Einzelkämpfer für ein ganzes System

von Redaktion

Nico Walther startet als einziger deutscher Pilot in Pyeongchang im FES-Bob – das hat Vor-, aber auch viele Nachteile

München – Der Auftakt in die Saison ist für Nico Walther schon mal misslungen. Weil der Flieger aus Deutschland Verspätung hatte, fand das erste Training der Bobfahrer auf der Olympiabahn in Pyeongchang ohne den WM-Dritten statt. Und wenn man bedenkt, dass er somit zwei der zwölf Fahrten, die den BSD-Piloten vor dem Ernstfall im Februar noch zustehen, wegen höherer Gewalt verpasste, ist das richtig ärgerlich. Jeder hätte es gut verstanden, wenn Walthers Laune dieser Tage in Südkorea nicht gut gewesen wäre. Aber: Es gab dann doch noch gute Nachrichten. Sogar gleich mehrere.

Erstens nämlich war Walther nicht allein, auch die anderen Passagiere der Maschine aus Sachsen – unter anderem Weltmeister Francesco Friedrich – waren zum Trainingsauftakt noch nicht vor Ort. Zweitens dürfen die verpassten Fahrten nach dem eigentlichen Ende der Testwoche am Samstag nachgeholt werden. Und drittens – und das ist das Wichtigste – lief Walthers Schlitten, den die Konstrukteure des Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin über den Sommer entwickelt haben, in den absolvierten Läufen sehr gut. Chefcoach Rene Spies ist mit den ersten Eindrücken der Olympia-Flotte „sehr zufrieden“.

Wie Walthers Bob sich im Ernstfall verhalten würde, vermochte der 27-Jährige bis vor der Abreise nicht mal selbst zu sagen. Zwar wusste er, „dass er besser ist als der alte, mit dem ich immerhin WM-Bronze geholt habe“. Weil er als Tüftler aber zwischen den beiden Wintern auf sich alleine gestellt war, hat er weniger Informationen über sein Gerät als seine BSD-Kollegen Friedrich und Johannes Lochner. Die beiden Vierer-Weltmeister fahren in Bobs des österreichischen Herstellers Johannes Wallner. Walther kann das verstehen, er sagt: „Wenn ich darin Weltmeister geworden wäre, würde ich auch Wallner fahren.“ Trotzdem missfällt ihm die Situation, dass er bis zur olympischen Entscheidung als Einzelkämpfer durchkommen muss.

Von „Zwei gegen Einen“ will der Bundespolizist nicht sprechen, „wir werden uns nicht anzicken wie die Rodel-Frauen“, versichert er. Er gibt aber zu, mit den anderen beiden deutschen Piloten „im Moment nicht über Bob reden zu können“. In Pyeongchang etwa wurden erneut zwei Garagen angemietet, um im FES- und in den WallnerBobs jeweils ohne Konkurrenz arbeiten zu können. Ihm selbst wäre diese strikte Trennung auch im Weltcup Recht („die FES möchte ihr Eigentum schützen“). Im Windkanal schon testete er nicht mit Lochner und Friedrich bei Sponsor BMW, sondern alleine – mit den Damen, die ebenso FES fahren – beim Konkurrenten VW. Nicht überall kam das gut an.

Er spricht von „Spielchen, die da getrieben werden“, in jedem Training. „Wenn der eine mal eine halbe Sekunde schneller und der andere langsamer ist, weiß ich genau, dass die uns an der Nase herumführen wollen.“ Die Herausforderung wird es sein, „keinen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen“ und „alles auszublenden. Sonst verliert man die Konzentration.“

Im Moment scheint das noch gut zu klappen, aber die Saison ist lang. Walther ist bewusst, dass der Blick in Verband und Sportpolitik besonders auf ihn gerichtet ist. Er sagt: „Wenn die FES wieder keine Medaille gewinnt, weiß ich nicht, ob es weiter so viele Steuergelder geben wird.“ Für ihn und das Institut zählt in Pyeongchang daher jeder Trainingslauf. Denn schlechte Nachrichten zum Ende der Saison wären deutlich ärgerlicher als zum Start. hanna raif

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