In Erinnerung vereint

von Redaktion

Fanprojekt will NS-Zeit mit Bayern- und Löwenanhänger aufarbeiten

München – Jochen Kaufmann zögert kurz. Er starrt in die Luft, kratzt sich am Bart, ehe er versucht zu beschreiben, was „man kaum beschreiben kann“. Im März 2016 hat der Leiter des Münchner Fanprojekts die KZ-Gedenkstätte Auschwitz in der polnischen Stadt Oswiecim besucht. Kaufmann hat schon mehrere KZ-Standorte aufgesucht, doch dieser Ausflug habe ihn „emotional belastet“. „Es war ein ganz anderes Erlebnis, das Ausmaß der industriellen Vernichtung zu sehen“, sagt er.

An diesem Morgen sitzt Kaufmann im NS-Dokumentationszentrum am Königsplatz. Er stellt die Idee vor, die seit damals reifte – und nun umgesetzt wird. Das Münchner Fanprojekt, das der Arbeiterwohlfahrt angehört, will mit den Anhängern des FC Bayern und des TSV 1860 die NS-Geschichte in München aufarbeiten – „mit Bezug zu den Vereinen“, wie Kaufmann betont.

Die Geschichte des deutschen Nationalsozialismus beschäftigt die Mitarbeiter des Fanprojekts, die in den Fanszenen der zwei Münchner Fußballsklubs gut vernetzt sind, bereits viele Jahre. Mit der Versöhnungskirche Dachau oder der Initiative „!Nie Wieder“ haben sie schon oft zusammengearbeitet. Nun greifen sie das Thema in einem umfangreichen Vorhaben erneut auf. Zwei Studientage haben sie angesetzt (einen im NS-Dokuzentrum, einen in der KZ-Gedenkstätte Dachau), ehe sie eine fünftägige Reise nach Oswiecim und Krakau organisieren. Dieses Gesamtpaket, das die DFL finanziell bezuschusst, wird für jeweils 25 Personen an zwei verschiedenen Terminen (Details und Anmeldung unter „erinnerung-vereint.de“) angeboten. Einmal für Bayern-, einmal für Löwenfans. Der Projektname: „In Farben getrennt – in Erinnerung vereint“.

Dass Kaufmanns Team dieses Programm jetzt hervorbringt, ist kein Zufall. Ihn beschäftigen „die gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa“, aber auch die in den Fankurven habe man „im Hinterkopf“. In Italien haben Anhänger von Lazio Rom gerade erst das Holocaust-Opfer Anne Frank verhöhnt. „Man muss immer wieder daran erinnern, was damals passiert ist“, sagt Kaufmann.

Daher wendet sich sein Angebot, auch wenn es keine Altersgrenze gibt, gerade an junge Fans zwischen 16 und 30 Jahren. Er wolle „kein Standardprogramm, wo man einfach durchgeschleust wird“, sondern ein Konzept nahe am Zielpublikum, das die Fans selbst reflektieren wie dokumentieren – und im Idealfall auch in ihre Kurven tragen sollen. christopher meltzer

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