Ab nach Südafrika

von Redaktion

Jockey Martin Heugl hat von Sandbahnrennen im Winter „die Schnauze voll“

Von Michael Luxenburger

München – Die Grasbahn-Saison der Galopper ist fast vorbei – der Renntag am kommenden Mittwoch ist der letzte in Riem, und auch die restlichen deutschen Turf-Hippodrome gehen in die Winterpause. Dann ist nur noch auf den Sandbahnen in Neuss und Dortmund Betrieb – eher deprimierende Veranstaltungen, mittlerweile oft vom französischen Toto PMU finanziert, damit in den Cafes im Nachbarland weiter durchgehend gewettet werden kann.

Der so genannte Nützlichkeitssport – nützlich für kleinere Trainer und Besitzer von unterklassigen Pferden – ist bei der Spitzenklasse der heimischen Jockeys eher verhasst. Bei Eiseskälte, Regen und Schneefall die Runde drehen, verdreckt vom pappigen Sand: kein wirkliches Vergnügen. Die einen machen dann Urlaub in warmen Gefilden, ein paar Glückliche bekommen Engagements dort, wo jetzt die Sonne wärmt. So wie der Bayer Martin Seidl, einer der Senkrechtstarter der Jockeyzunft. Er wird den Winter über in Südafrika reiten. Am 11. November fliegt er nach Kapstadt.

Der 23-Jährige hat auf Vermittlung eines führenden deutschen Galoppfunktionärs ein Engagement bei Trainer Justin Snaith erhalten. Der ist zwar einer der jüngsten Trainer in Südafrika, doch haben seine Pferde in relativ kurzer Zeit nicht weniger als neun Gruppe-I-Rennen gewonnen. Seidl wird für ihn im Training reiten, hofft aber auch auf Einsätze in Rennen auf den Top-Bahnen wie Kenilworth oder Greyville. Dort ist gerade Frühling.

„Ich wollte ja eigentlich nach Amerika“, erzählt der in einem kleinen Dorf bei Vilsbiburg aufgewachsene und als Stalljockey von Jutta Mayer in Riem erstmals ins Rampenlicht getretene Seidl. „Aber mit denen ist das schwierig. Die sagen immer ,ja,ja, super’, und dann wird doch nichts draus. Da musst du auf blöd einen Flug buchen und sagen, ,hallo, jetzt bin ich hier’ – da hast du nichts in der Hand.“

Eines war für den ehrgeizigen Seidl klar: „Ich wollte weg. Ich hasse die Kälte. Ich hab von den Winterrennen auf der Sandbahn einfach die Schnauze voll gehabt. Und die bringen mich ja absolut nicht weiter.“ Denn auch wenn er jetzt als zweiter Mann hinter Adrie De Vries im Top-Quartier von Trainer Markus Klug in Köln Chancen in Top-Rennen bekommt und im umstrittenen Deutschen Derby im vergangenen Jahr als Dritter eigentlich der moralische Sieger war, ist er überzeugt: „Nur in Deutschland reiten, das bringt mich nicht weiter. Ich brauche einfach was Neues, was Frisches. Wenn ich mir meine Ritte dieses Jahres auf Video anschaue, dann finde ich nichts, was jetzt extrem schlecht oder extrem gut ist. Eine große Weiterentwicklung sehe ich nicht. Da wird mir Südafrika mit den dort ganz anders gelaufenen Rennen sicher helfen – wenn ich dort meine Chancen bekomme.“

Seidl hatte auch ein Angebot aus Dubai von Sheik Hamdan al Maktoum, aber nur als Arbeitsreiter: „Das war mir zu wenig. Ich will Rennen reiten.“ Schließlich ist er mit 184 Siegen, einige davon in Grupperennen, nicht zweite Wahl. In Südafrika will er erst mal bis Mitte Februar bleiben. Von Snaith hat er am Telefon einen guten Eindruck bekommen: „Ein sehr offener Mensch. Er sagte, er kann mir nichts versprechen, aber ich würde meine Chance bekommen, wenn es sich anbietet.“

Martin Seidl trauert den Zeiten nach, als der deutsche Rennsport noch florierte: „Mei, was da noch vor 20 Jahren los war, und wie das jetzt aussieht. Aber wenn du in die Schweiz schaust, nach Belgien, nach Österreich, nach Italien – da sind wir ja noch gut dran.“ Man kann also davon ausgehen, dass er wieder zurückkommt.

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