„Bayern wäre die logische Folge“

von Redaktion

Unter Ilija Aracic ist Timo Werner in Stuttgart Profi geworden – der Weg des RB-Stürmers ist für den Coach vorgezeichnet

München – Auch der FV Illertissen war am Freitagabend zu Gast in München, zum Regionalliga-Spiel beim FC Bayern II. Ilija Aracic hatte also genug zu tun in den letzten Tagen. Aber für ein Gespräch über Timo Werner nimmt er sich gerne Zeit. Der 46-Jährige trainierte den Stürmer, der mit RB Leipzig an diesem Samstag in der Allianz Arena antritt, in seinen letzten Jugend-Jahren beim VfB Stuttgart – und war sich schon da sicher: Der wird Weltklasse.

-Herr Aracic, als Timo Werner am Mittwoch zum Elfmeterpunkt gegangen ist, hatten viele ein schlechtes Gefühl. Sie auch?

Nein, gar nicht. Aber als er den Elfmeter geschossen hat, war ich überrascht. Normalerweise schießt er immer fest, hat einen strammen Schuss, der gefürchtet ist. Der Elfer aber war nicht typisch Timo.

-Er war verletzt, hat Trainingsrückstand. War der verschossene Elfmeter die logische Konsequenz der für ihn schweren Zeit?

Man darf nicht vergessen, wie jung Timo ist. Auch meine Frau hat am Mittwoch gefragt: Wie alt ist der? Man glaubt ja nicht, dass er erst 21 ist, weil er schon bald 150 Bundesliga-Spiele gemacht hat. Aber man muss mal sagen: Was der Junge leistet, ist überragend. Er hat sich etabliert, bei einem deutschen Top-Team und in der Nationalmannschaft. Jetzt hatte er mal ein paar Probleme, war noch nicht zu 100 Prozent da. In so ein Spiel reinzukommen – und dann auch als letzter Schütze anzutreten –, war vielleicht zu viel.

-Ist er einer, der so einen verschossenen Elfmeter schnell wegsteckt?

Das beschäftigt ihn schon, aber nicht zu lange. Beim nächsten Mal schießt er halt dann wieder so, wie er es immer macht. Der Junge schießt so gerne Tore – ein Verschossener wird ihn nicht umhauen.

-Die beste Antwort wäre ein Tor am Samstag in München . . .

(lacht) Das kann ich mir schon vorstellen.

-Sie haben Timo Werner trainiert, als er als B-Jugendliga mit 24 Treffern Torschützenkönig der A-Jugend-Bundesliga wurde. Staunten Sie da selbst?

Manchmal schon. Aber diesen Zug zum Tor, den starken Abschluss, den hat man schon lange vorher gesehen. Ich habe in meiner aktiven Zeit viele gute Stürmer erlebt, Michael Ballack zum Beispiel, da habe ich immer versucht, Vergleiche zu ziehen – aber das war schwer. Er hat einfach etwas Besonderes, das war schon in jungen Jahren so. Und im Gegensatz zu anderen jungen Spielern, die Talent, aber keinen Antrieb haben, hatte Timo diesen inneren Antrieb schon immer. Der wollte immer noch mehr Tore schießen.

-War sein Weg vorgezeichnet?

Ich habe ihm damals gesagt, dass er auf jeden Fall Bundesligaspieler werden wird. Aber ich habe ihn auch gefragt: Reicht dir das? Bist du damit zufrieden? Oder willst du noch weiter kommen? Ich habe ihm erzählt, wie schön es ist, in der Champions League zu spielen. Sein Weg spricht doch für sich – und ihm steht in der Zukunft alles offen.

-Hatte er in der Jugend die „Stürmer-Krankheit“ – eine echte Torflaute?

Es gab Spiele, in denen er nicht getroffen hat, natürlich. Ein Tipp von mir war damals: Timo, für einen Stürmer ist nicht immer nur das Tor entscheidend. Ein Stürmer muss auch, wenn er nicht trifft, gute Leistungen bringen, dann ist er ein richtig guter Stürmer.

-Hat er das verinnerlicht?

Es gab da ein Spiel, in dem ich ihn ausgewechselt habe, ohne dass er ein Tor geschossen hatte. Er war überrascht, dachte, das sei eine Bestrafung. Aber ich habe ihn im Anschluss vor der ganzen Mannschaft gelobt, weil er ein richtig gutes Spiel gemacht hatte. Da hat er es verinnerlicht. Er ist ein super Junge, charakterlich top, aus einem tollen Umfeld. Der hebt nicht ab.

-Wie passt diese Schwalbe da rein, die ihn in der letzten Saison zum Buhmann der Liga machte?

Manchmal handelt man aus Instinkt. Man kriegt so viel auf die Socken, manchmal schützt man sich da selber. Solche Sachen macht man innerhalb des Bruchteils einer Sekunde und nicht mit Absicht. Er hat niemandem Schaden zugefügt, niemanden verletzt. Ich finde es ungerecht, dass man ihm das so lange vorwirft. Wahrscheinlich, weil es Neider gibt. Er hat einen Fehler gemacht und sich entschuldigt – die Leute sollten aufhören, darauf rumzureiten.

-Zumal sie ihm als Nationalspieler zujubeln.

Eben. Da ist er die Zukunft. Sie sollten stolz sein, einen wie Timo Werner zu haben.

-Ist er schon der Top-Spieler, zu dem Sie ihn machen wollten?

Er ist auf dem Weg dahin. In der Champions League und bei der WM hat er nun die großen Chancen, sich weiter zu beweisen. Im Moment hat er internationale Klasse, um Weltklasse zu werden, muss er aber weitermachen. Akribisch, fokussiert. Das Zeug dazu, den Ehrgeiz, das Potenzial hat er. Nicht umsonst steht er bei allen europäischen Topklubs auf dem Zettel.

-Und trotzdem führt der Weg zum FC Bayern?

Für immer Leipzig kann man ausschließen. Der FC Bayern wäre die logische Folge. Obwohl RB eine gute Entwicklung nimmt, strahlt Bayern schon etwas anderes aus.

-Joshua Kimmich hat es ähnlich gemacht.

Den habe ich auch trainiert, in der selben Mannschaft (lacht).

-Klopfen Sie sich eigentlich jedes Wochenende auf die Schulter, wenn Sie die Bundesliga verfolgen?

(lacht) Nein nein. Aber ich sehe schon einige meiner ehemaligen Jugendspieler – darauf bin ich stolz.

Interview: Hanna Raif

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