Hype um Felix: „Fast schon unerträglich“

von Redaktion

Cheftrainer Mathias Bertholds Loblied auf Neureuther: „Er war brutal fleißig im Herbst, macht das vorbildlich“

Sölden – Bei der Ski-WM in St. Moritz vergangenen Februar rettete Felix Neureuther mit seiner Bronzemedaille zum Abschluss die Bilanz des ganzen deutschen Alpin-Teams. Herren-Cheftrainer Mathias Berthold spricht vor dem Start der neuen Saison mit dem Riesenslalom in Sölden am Sonntag im Interview mit unserer Zeitung über Neureuthers erstaunliche Frühform, seine unglaubliche Beliebtheit auf der ganzen Welt, über Fritz Dopfers Comeback und Skepsis bei der Ski-Reform.

-Mathias Berthold, Felix Neureuther, so ist zu hören, soll so gut in Form sein wie noch nie zu dieser Jahreszeit. Wirklich?

Stimmt. Solange ich dabei bin, das ist das vierte Jahr bei den deutschen Männern, war er zu dieser Zeit noch nie so in Form. Die Umfänge, die er heuer auf Ski gefahren ist, sind nicht vergleichbar mit jenen der Vergangenheit. Er macht einen sehr stabilen Eindruck, hat einfach mehr trainiert, höhere Umfänge fahren können. Felix war extrem fleißig im Herbst, trotz der privaten Situation mit dem Baby, das gekommen ist. Er hat wirklich extrem gut gearbeitet, da bin ich richtig happy.

-Wie hat er das mit dem Baby unter einen Hut gebracht? Beflügelt ihn die die Geburt seiner Tochter auf der Piste?

Ich habe schon das Gefühl. Er ist glücklich. Weil es mit der Geburt etwas länger gedauert hat, haben wir sehr viel individuell gearbeitet. Die anderen Jungs waren im Mölltal, wir haben mit Felix im Pitztal und Sölden trainiert. Er war brutal fleißig.

-Man hat den Eindruck, er will es nochmal wissen – in seiner vielleicht letzten Saison?

Klar will er es wissen. Die körperliche Verfassung hat es heuer erlaubt, mehr zu trainieren. Die vollen Umfänge der Mannschaft, teilweise sogar mehr.

„Sogar in Japan an der Tankstelle wollen alle Fotos mit ihm“

-Sind die Olympischen Spiele im Februar ein zusätzlicher Motivationsschub für ihn? Die Olympia-Medaille fehlt ja noch.

Wir haben das Olympia-Thema besprochen, sehen die Spiele nicht als irgendetwas Herausragendes. Er will einfach eine gute Saison fahren und zeigen, was er kann. Und wenn der Felix sein Leistungsvermögen abrufen kann, dann ist er sicher absolut top – das wissen wir alle.

-Das macht ja nicht den Eindruck, dass Neureuther eine genüssliche Abschiedstournee plant.

Man würde es jedenfalls nicht merken, wenn es seine letzte Saison wäre. Ich habe schon viele Athleten in einer letzten Saison betreuen dürfen, Martina Ertl in Deutschland oder Anita Wachter in Österreich, da war das anders. Wenn es für Felix wirklich seine letzte Saison sein sollte, dann macht er das vorbildlich (lacht), denn eine letzte Saison ist oft gefährlich. Hier noch ein letztes Foto, dort ein Foto, solche Dinge haben im Tagesgeschäft keinen Platz. Wir haben kurz über das Thema Karriereende gesprochen, aber es ist eigentlich nicht unser Thema. Unser Thema ist, jeden Tag möglichst erfolgreich zu gestalten, jeden Tag das Maximum herauszuholen. Ich setze mich mit der Thematik nicht auseinander, für mich steht die tägliche Arbeit im Vordergrund, und da bin ich extrem happy, wie er das macht.

-„Fürchten“ Sie als Cheftrainer die Zeit nach Felix, egal wann er aufhört – weil dann die Gallionsfigur weg ist?

Ich würde den Felix vermissen, weil ich ihn persönlich sehr mag, weil ich ihn als Athleten extrem schätze. Aber der eine hört auf, der andere kommt neu dazu. Niemand ist unersetzbar. Dann geht es eben ohne Felix weiter, was ich sehr bedauern würde. Der Felix ist ein ganz spezieller Typ. Auf der ganzen Welt, egal wo wir hinkommen, wird er erkannt – ob in Japan oder sonst irgendwo. Er ist einfach ein Typ, von denen es im Weltcup nicht so viele gibt.

-In Japan?

Überall in Japan, man kann es kaum glauben. Wir sind mit dem Bus an der Tankstelle stehen geblieben, schon stehen sie scharenweise um ihn herum und wollen Fotos machen. Oder im Pitztal in der Gondelbahn, das ist ja schon fast unerträglich. wenn er in der Früh schon 150 Fotos machen muss. Aber der Felix ist so ein herzlicher Mensch, der sagt nie Nein. Das liegt ihm auch am Herzen, wenn junge Athleten zu ihm kommen. Felix hin und Felix her – das taugt ihm nicht immer, aber er ist immer geduldig. Ich finde das super.

-Fritz Dopfer lässt Sölden noch aus. Wie weit ist er nach seinem Schien- und Wadenbeinbruch?

Sölden kommt noch zu früh, das haben wir schon vor Längerem entschieden. Speziell beim Slalom ging es seinem Fuß zuletzt schon ganz gut. Bei Fritz haben sich die Ziele verschoben: Es steht nur im Vordergrund, dass er schmerzfrei fahren kann. Wir fliegen am 1. November nach Skandinavien, um dort nochmal intensiv Slalom zu trainieren. Das Rennen in Levi (12. November/d. Red) ist auf jeden Fall realistisch. Im Moment gefällt er mir ganz gut, aber er muss noch ein bisserl Speed finden.

„Linus Straßer ist Profi geworden, sehr konsequent“

-Sportdirektor Wolfgang Maier spricht gerne vom Aushängeschild Herren-Mannschaft . . .

(lacht) Es gibt die Herren- und die Damenmannschaft. Ich empfinde das nicht als Auszeichnung. Wir fahren ja nicht gegen die Damen. Unser Ziel ist ja nicht, der Platzhirsch im DSV-Alpinlager zu sein. Wir wollen international vorne mitfahren.

-Letzte Saison haben Ihre Männer zehn Podestplätze eingefahren. Ihr Anspruch?

Ich bin nie ganz zufrieden, es könnte immer mehr gehen. Aber ich bin vorsichtig optimistisch, was den Start in diese Saison angeht. Die Trainingsleistungen am Gletscher waren sehr gut.

-Der einzige Sieg war von Linus Straßer beim Stadtslalom in Stockholm. Ist er bald reif für einen „richtigen“ Slalom-Sieg.

Linus ist in allen Bereichen sehr stark geworden, auch von der Persönlichkeit her. Er ist Profi geworden, sehr konsequent in seiner Arbeit und Einstellung.

– Der Riesenslalom-Ski hat wieder mehr Taillierung bekommen. Wie sind Ihre Eindrücke vom Training, ist die Umstellung gravierend?

Die Jungs mögen den neuen Ski lieber, weil er einfacher zu fahren ist. Man muss sich darauf einstellen, dass du von der Linie wieder relativ brutal und aggressiv fährst.

-Klingt nicht nach weniger Verletzungen . . .

Ich sehe, dass da ein Problem auf uns zukommen könnte. Weil die Ski extrem aggressiv sind. Im Schwung treten Belastungsspitzen auf, die man damals versucht hat zu vermeiden. Jetzt treten sie aber wieder auf durch die stärkere Taillierung. Verletzungen wirst du immer haben. Früher waren es Beinbrüche, jetzt durch den aggressiveren Schnee sind es Knieverletzungen. Ich sehe die Material-Umstellung eher ein bisserl kritisch – aber vielleicht werde ich eines Besseren belehrt.

Das Gespräch führte Jörg Köhle

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