Das vorvorletzte Treffen

von Redaktion

Die Frage vor dem Topspiel: Wie lange haben Bayern und Dortmund ihre beiden Sturm-Asse noch?

von hanna raif

München – Der Blick auf den Rasen lohnte sich gestern an der Säbener Straße, obwohl Jupp Heynckes seinem Team nach der Landung aus Glasgow einen Tag ohne Training gegönnt hatte. Bekanntlich gilt ja die Regel: Reha-Patienten haben nie frei – und so war der Betrieb auf dem Platz recht groß. Neben Juan Bernat und Thomas Müller, der nach seinem Muskelbündelriss erstmals leichte Jogging-Runden drehte, war auch Robert Lewandowski zugegen. Die Tendenz: Es sieht nach wie vor gut aus für einen Einsatz morgen beim Topspiel in Dortmund. Reihum: Kollektives Aufatmen.

Man spricht beim FC Bayern ja nicht erst in letzter Zeit davon, dass man für alles eine Lösung finden könne – außer für den „worst case“, den schlimmsten anzunehmenden Fall, der in diesem Team die Ausfälle von zwei Spielern umfasst. Ob es für den aktuellen Tabellenführer nun schwerer zu verkraften ist, wenn Manuel Neuer oder aber Lewandowski fehlt, mag im Auge des Betrachters liegen. Als sicher gilt aber, dass die gleichzeitige Absenz beider Unersetzbaren kaum aufgefangen werden kann. „Die Besetzung auf dem Platz war schwierig, es ist anders ohne echten Stürmer“, sagte Arjen Robben unverblümt nach dem 2:1 in Glasgow, bei dem James als ,falsche Neun’ den Part des angeschlagenen Lewandowski hatte übernehmen müssen. Dass derzeit auch noch Müller und Franck Ribery fehlen, ist besonders ärgerlich. Sportdirektor Hasan Salihamidzic hat Recht, wenn er sagt: „Wenn alle wieder fit sind, dann sind wir aber ganz gut besetzt.“ Womöglich ist er aber noch nicht lange genug in leitender Position tätig, um zu wissen: Das ist so gut wie nie der Fall.

Die Bayern sind deshalb in der Zwickmühle, schon lange, und immer schlimmer. „Notkäufe“ im Winter schloss Salihamidzic zwar aus, gab aber auch zu, dass der Stürmermarkt aufmerksam sondiert würde. Das Problem liegt alleine im Anforderungsprofil: „Es müsste einer sein, der die Mannschaft weiterbringen kann, der aber trotzdem weiß, dass er Lewa vor sich hat.“ Ein Claudio Pizarro mit fünf Jahren weniger auf dem Buckel, ein Sandro Wagner mit einer nicht ganz so großen Klappe. Theoretisch ist so ein (Ersatz-)Mann zu schnitzen, praktisch kaum zu finden.

Die Klubbosse wissen um ihr Dilemma, und sie wissen, dass spätestens im Sommer etwas passieren muss. Zumal Lewandowski trotz seines Vertrages bis 2021 immer weniger davor zurückschreckt, einen Wechsel zu forcieren. Unter anderem das Interview, das er vor der Saison im „Spiegel“ gab, war durchdacht platziert. Er forderte seinen Klub darin auf, „kreativ zu werden“ und bezeichnete Bayerns Transferausgaben als „eher Durchschnitt als Spitzenwert“. Real Madrid ist sein Traum, genau wie dieser Henkelpott, den viele seiner Mitspieler schon in den Händen halten durften. Er fragt sich: Ist das in München möglich?

Aubameyangs Krise wird zur BVB-Krise

Lewandowski ist 29 Jahre alt, man kann ihm diese Gedanken wahrscheinlich nicht mal verübeln. Seine Spielzeiten als Weltklasse-Mann sind gezählt, und er merkt selbst, dass er in einem Team spielt, das zu einem großen Teil von seinen Toren abhängig ist. Ihm geht es da nicht anders als seinem eigentlich Widersacher. Denn Pierre-Emerick Aubameyang spielt zwar auch gerne bei Borussia Dortmund – ist aber ebenso fasziniert von der großen weiten Fußball-Welt, die Interesse an ihm hat.

Wenn alles gut geht und die beiden an diesem Samstag aufeinandertreffen, werden Außenstehende wieder besonders auf die Torjäger blicken. Lewandowski kommt aus einer Verletzung und Aubameyang aus einer Torkrise, die – auch da zeigt sich die Abhängigkeit – parallel zur Negativ-Serie des BVB verläuft. In den letzten vier Spiele hat der Gabuner nicht getroffen, die Dortmunder warten seit drei Bundesliga-Partien auf einen Sieg. Inständig hoffen sie auf eine ähnliche Reaktion von Aubameyang wie im Februar, als er auf eine ebenso langen Flaute mit elf Treffern in sieben Spielen antwortete.

Trainer Peter Bosz ist sich sicher: „Das Glück wird wiederkommen.“ Und dennoch sind die Verantwortlichen hinter den Kulissen genauso in Habachtstellung wie jene in München. Ein Wechsel des 28 Jahre alten Torjägers (Vertrag bis 2020) ist bisher geplatzt, für den Winter bzw. spätestens im kommenden Sommer aber relativ wahrscheinlich. Bis dahin stehen noch weitere zwei Spiele gegen die Bayern an: Das Achtelfinale im Pokal, das Rückspiel in der Liga.

Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man prognostiziert: Es ist das vorvorletzte Privat-Duell zwischen Lewandowski und Aubameyang, das der deutsche Fußball morgen erleben wird.

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