München – Am Ende waren die viel zitierten Gläser halb leer – kurioserweise für beide Trainer. „Wir haben eindringlich davor gewarnt, dass Sechzig ein sehr schnelles und brutales Umschaltspiel hat. Trotzdem sind wir reingelaufen“, monierte Bernd Kunze, Coach des 0:2-Verlierers FC Memmingen. Auch vor der Standardstärke der Sechziger habe er die Seinen gewarnt: „Und dann fangen wir uns ein Standardtor.“ Sein Fazit: „Ich kann Daniel Bierofka nur gratulieren. Ich denke, es wird eine klare Sache mit der Meisterschaft.“
Ein Doppelschlag in der 32. und 35. Minute hatte die Partie zum Rückrundenstart früh im Sinne des TSV 1860 beeinflusst. Erst schaltete Nico Karger schneller als die Memminger Defensive (Stichwort brutales Umschaltspiel), drei Minuten köpfte Kapitän Felix Weber (Stichwort Standardstärke) einen Eckball von Benjamin Kindsvater ins Tor des FCM. Der erste Eindruck der Löwen war ansprechend an diesem Freitagabend, doch gegen Ende war es eher der Tabellenvorletzte aus dem Allgäu, der im Grünwalder Stadion für Angriffswirbel sorgte. Ein Umstand, den Kunze weitgehend verschwieg, der bei Daniel Bierofka jedoch sicht- und hörbaren Grant auslöste. „Wenn wir spielen wie in der zweiten Halbzeit, wird es schwierig mit der Meisterschaft“, griff der Löwen-Coach das Lob des Kollegen auf: „Wir waren zu naiv und hektisch in der Spieleröffnung. Memmingen konnte immer wieder kontern. In einigen Situationen ist der Ball unkontrolliert durch unseren Strafraum geflogen.“
Der erste Eindruck prägt, der letzte Eindruck bleibt, sagen die Psychologen. Objektiv betrachtet sind die Löwen weiterhin klarer Favorit auf den Meistertitel in der Regionalliga Bayern. Vom Saisonstart weg (4:1 in Memmingen) gab es nicht viele Phasen, in denen die Konkurrenz Grund gehabt hätte, am Ausnahmestatus des Ex-Zweitligisten zu zweifeln. Acht Punkte Vorsprung auf Platz zwei, die meisten Tore erzielt (45), die mit Abstand wenigsten kassiert (13) – alles soweit bestens. Dass sich Bierofka trotzdem mit sorgenvoller Miene ins Wochenende verabschiedete, dürfte also mit dem letzten Eindruck zu tun haben.
Nach dem doppelten Dämpfer in der Derbywoche (2:3 in Augsburg, 0:1 gegen Bayern) stimmen jetzt zwar wieder die Ergebnisse. Würde die Durchschlagskraft aber auch ausreichen, wenn nicht Bayreuth und Memmingen die Gegner wären, sondern Cottbus, HSV II, Uerdingen oder Saarbrücken? Seit Freitag stehen die Termine für die Aufstiegsspiele zur 3. Liga fest (24./27. Mai) – und Bierofka ahnt, dass bis dorthin noch einiges zu tun ist. „Positiv ist, dass unsere defensive Stabilität zurück ist, wir wieder zu Null spielen“, sagte er: „Unser Spiel mit dem Ball muss aber wieder besser werden. Den letzten Pass spielen wir teilweise zu unsauber. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.“
Viermal in der Liga und einmal im Totopokal müssen die Löwen bis zum 9. Dezember noch ran. Durchwurschteln lautet die Devise für das überspielt wirkende Team. Bierofka sehnt die Winterpause schon länger herbei – 2018 hofft er dann nicht nur auf einen genesenen Timo Gebhart, sondern auch auf externe Verstärkungen.
Am Saisonziel hat sich nichts geändert: Nach ungezählten voreiligen Gratulationen zur Meisterschaft kann es nur darum gehen, sich am 27. Mai für eine geglückte Relegation feiern zu lassen.