Letzte Hoffnung Tapetenwechsel

von Redaktion

Schlimmer hätte die Zeit zwischen den beiden Länderspielpausen für den BVB nicht laufen können: „Nichts kleinreden“

von hanna raif

Dortmund – Hans-Joachim Watzke hat es versucht, man kann ihm nichts vorwerfen. Denn mittags, noch bevor er mit den Klubbossen des FC Bayern zum Essen verabredet gewesen war, hatte sich der Geschäftsführer von Borussia Dortmund an früher erinnert. Die Taktik, ein paar Sprüche rauszuhauen und den FC Bayern verbal zu verunsichern, hat in der Vergangenheit das ein oder andere Mal funktioniert. Also sagte Watzke: „Erinnern Sie sich noch, wer bei diesem 5:2 von uns im Pokalfinale 2012 Trainer beim FC Bayern war?“ Als der Name „Heynckes“ gemurmelt wurde, sagte er: „Sehen Sie! Auch der kann also anscheinend verlieren!“

Als Hans-Joachim Watzke nach dem 1:3 seines BVB die Treppe zum Kabinentrakt nach oben stapfte, hatte er so gar nichts mehr gemein mit jenem Mann, der sieben Stunden zuvor bei einer Ausstellungseröffnung im DFB-Fußballmuseum diese Sprüche hinausposaunt hatte. Seine rechte Hand, seinen operierten Daumen, hielt er nach oben; als Außenstehender hatte man fast Mitleid mit ihm. Seine Miene war schon auf der Tribüne finster gewesen, selbst Marc Bartras Anschlusstreffer hatte sie nicht aufhellen können. Beim Blick auf die grinsenden Bayern und die traurigen Dortmunder wurde sie noch finsterer.

Watzke hatte wie 81 360 Zuschauer gesehen, dass zum einen dieser Jupp Heynckes im Moment nicht verlieren und zum anderen dieser BVB nicht gewinnen kann. Die Situation, sagte er, sei nach vier Ligaspielen ohne Sieg (dafür mit zwölf Gegentoren) zu ernst, um sie „kleinzureden“. Jeder, „der nun kritisiert wird, muss das akzeptieren“. Der 58-Jährige blieb bei einer Generalkritik und vermied auch bewusst, den Trainer anzuzählen: „Peter Bosz versucht alles. Wir brauchen jetzt Fortune – alle zusammen.“

Man hört diese Sprüche in Dortmund, seitdem der Start nach der letzten Länderspielpause beim unglücklichen 2:3 gegen RB Leipzig verpatzt wurde. Ab diesem Moment ging es rapide bergab, in Liga (das 2:2 gegen Frankfurt war der letzte Punktgewinn) und Champions League, wo das Vorrunden-Aus so gut wie besiegelt ist. Elf Punkte haben die Heynckes-Bayern aufgeholt, und nach dem direkten Vergleich sagte Bosz unverblümt: „Wir waren heute keine Spitzenmannschaft.“

Dabei war der Niederländer erstmals von seinem oft naiv wirkenden 4-3-3 abgerückt und hatte Julian Weigl in Gonzalo Castro zumindest phasenweise einen zweiten Sechser zur Seite gestellt. Das reichte aber nicht, um Defizite in den Punkten Selbstvertrauen, Zweikampfhärte und Chancenverwertung zu kompensieren. Pierre-Emerick Aubameyang blieb unglücklich, der Bayern-Sieg war verdient. Nach drei Wochen zum Vergessen steht Bosz’ Team punktgleich mit Schalke da.

Der Coach sagte zwar: „Ich glaube nicht, dass zwischen mir und der Mannschaft etwas kaputt gegangen ist.“ Ganz unkritisch aber wird auch er nicht mehr gesehen. Erstmals in seiner Amtszeit wirkte der 53-Jährige nach der Niederlage gegen den Rivalen aus München einerseits angefressen, andererseits ratlos. Viel arbeiten kann er in der Länderspielpause nicht, Spieler wie Weigl aber hoffen, dass „der Tapetenwechsel einigen guttun wird“.

In der letzten Abstellperiode hat Watzke sich übrigens operieren lassen und der BVB laut Bosz „die Form verloren“. Für die kommenden beiden Wochen ist geplant, alles wieder geradezurücken. Watzke will beim nächsten Heimspiel ohne (Pechs-)Orthese auf der Tribüne sitzen. Zu Gast: Schalke 04. Blöde Sprüche spart er sich lieber.

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