jahreshauptversammlung des FC Bayern

364 Tage – und alles wie früher

von Redaktion

von hanna raif

München – Auf Jahreshauptversammlungen des FC Bayern haben sich ja schon einige kuriose Dinge zugetragen. Unvergessen das Gedicht, mit dem Karl-Heinz Rummenigge 2009 Frank Beckenbauer verabschiedete („Ich danke Dir ganz toll, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“). Und natürlich auch die Wutrede von Uli Hoeneß zwei Jahre zuvor, mit dem Kernsatz: „Für eure Scheißstimmung seid ihr doch verantwortlich, nicht wir.“ Dieser Ausspruch (und noch ein paar andere im ähnlichen Tonfall) jähren sich zum zehnten Mal, wenn die hohen Herren des FC Bayern heute Abend das Podium im Audi Dome betreten werden. Und trotzdem wird dieses Mini-Jubiläum nicht mal eine Randnotiz sein. Deutlich interessanter ist der Blick auf Hoeneß und all das, was unter dem alten und neuen Präsidenten in den letzten 364 Tagen passiert ist.

Als der heute 65-Jährige – umringt von Kameras – im Vorjahr die Tür zum Versammlungssaal aufstieß, sprachen viele von einer neuen Zeitrechnung beim FC Bayern. Hoeneß versprach vor 7152 Mitgliedern, ein „Bindeglied, ein Kümmerer, ein Ratgeber“ zu sein, während sich Karl-Heinz Rummenigge vom „Spiritus rector“ eine „harmonische, loyale, vertraute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle des FC Bayern“ wünschte. Warten mussten die beiden darauf lange. Denn erst vor wenigen Monaten, in der Sommervorbereitung, rauften sich die Alphatiere zusammen. Zuvor war der Klub bei zahlreichen Themen in zwei Lager geteilt, seitdem ziehen sie weitestgehend an einem Strang – ohne immer derselben Meinung zu sein.

Hoeneß spricht von einer „Übergangsphase“, die nach zweieinhalb Jahren Absenz ganz normal sei. Zwar beteuert er, sich zurückgenommen und angepasst zu haben, während er intern „Überzeugungsarbeit“ geleistet habe. Man hört aber von vielen Seiten, dass das nicht immer der Fall war. Auch sein Verhalten in der Öffentlichkeit hat sich seit dem 25. November 2016 verändert. Anfangs – so hatte man das Gefühl – sprach er in jedes Mikrofon und Diktiergerät. Heute ist der Stapel an Interviewanfragen groß und schrumpft nur langsam. Über die Basketballer spricht er gerne. In der Mixed Zone der Fußballer winkt er ab.

Öffentlich nicht omnipräsent zu sein, heißt nicht, sich auch hinter den Kulissen zurückzuhalten. Hoeneß hat sein altes Büro bezogen und agiert an der Säbener Straße so wie vor seinem Haftantritt. Dem Binnenklima tut das gut, heißt es, er hat nach wie vor ein offenes Ohr für alle Mitarbeiter. Dem Verhältnis zu Rummenigge – siehe kontroverse Meinungen zur China-Reise und auch zu Lewandowskis Kritik am System des FC Bayern – hat es lange nicht gutgetan.

Es gab einige Dinge, die ihm in seiner Abwesenheit missfallen haben. Vor einem Jahr sagte Hoeneß, er wolle diese „nicht gleich am ersten Tag benennen, sondern Zeit verstreichen lassen“. Dass er die zunehmende Kommerzialisierung und damit einhergehende Entwurzelung des Vereins nicht gutheißt, ist aber kein Geheimnis. Weiter, immer weiter ist nicht Hoeneß’ Motto. Und sich zu besinnen auf alte Erfolgsfaktoren, muss ja nicht immer das Schlechteste ein. Das haben die jüngsten Personalentscheidungen, die er als Aufsichtsratsvorsitzender absegnen musste, gezeigt.

Ein neuer Sportdirektor, ein alter bzw. neuer Trainer, ein alter bzw. neuer Teamarzt: Es ist bei den Bayern ungewohnt viel passiert seit der letzten Versammlung im Audi Dome. Die Personalien tragen die Handschrift von Hoeneß. Nicht alle drei mögen zukunftsweisend sein. Aber sie haben dafür gesorgt, dass der Verein auf den wichtigsten Positionen erst mal Ruhe hat, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Das ist das Anliegen, das Hoeneß noch hat. Wie gut es gelingt, hängt auch von seiner Person ab. Heute Abend wird er – Rekordzahlen hin oder her – wieder der Star sein. Eine Wutrede muss er dafür nicht halten. Aber er wird wohl verkünden, dass die Allianz Arena bald rote Sitze hat. Hoeneß weiß halt, wie es geht. Nichts hat sich geändert.

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