SAISONSTART DER BIATHLETEN

Leise Töne, große Hoffnungen

von Redaktion

Nach glanzvoller WM zählen die deutschen Skijäger auch im Olympiawinter zu den Medaillenkandidaten

VON ARMIN GIBIS

München – Gerald Hönig ist nicht unbedingt ein Freund des Medaillenzählens. Aber vor Olympischen Spielen bleibt einem Bundestrainer nun mal nichts anderes übrig, als sich diesem Thema zu stellen. Was er sich denn ausrechne? Mit der ihm eigenen behutsam-leisen Stimme rang er sich zu der Einschätzung durch: „Staffel, Mixed, Einzelrennen – wenn es uns da gelingt, insgesamt drei Medaillen zu holen, dann wären wir nicht unzufrieden, dann bräuchten wir nicht mit hängenden Köpfen von Pyeongchang nach Hause fahren.“

Der Chef der deutschen Biathletinnen bewegte sich auf dem Feld der Olympiaprognosen etwa so vorsichtig, als müsste er auf Zehenspitzen ein Minenfeld überqueren. Schließlich haben die deutschen Skijägerinnen im vergangenen Februar bei der WM in Hochfilzen groß aufgetrumpft. Allein die grandiose Laura Dahlmeier sammelte fünf goldene Medaillen und eine silberne. Hönig ist es gar nicht recht, diese hochkarätige Erfolgsbilanz als Maßstab zu nehmen: „Man sollte über das Ergebnis von Hochfilzen nicht zu lange nachdenken“, sagt der 59-Jährige vor dem Weltcup-Auftakt am Sonntag in Östersund: „Wir haben damals vor Ort gleich gesagt: Das kann einmalig sein, dass eine Athletin und damit eine ganze Mannschaft so einen Lauf hat.“

Schließlich war es im letzten Winter halt auch so, dass die Seriensiegerin Dahlmeier, die beim Start in die neue Saison wegen einer Erkältung fehlt (siehe Kasten rechts), fast alleine für Spitzenergebnisse zuständig war. Hönig: „Laura hat alles gedeckelt. Das war eine tolle Saison für sie, die kaum zu toppen ist.“ Zwar war das Team immerhin stark genug, auch die Weltcup-Nationenwertung zu gewinnen, aber einen Podestplatz erkämpfte sich allein noch die schon 31-jährige Ersatzläuferin Nadine Horchler (1. Platz im Antholzer Massenstart).

Hönig umschrieb das Manko der letzten Saison so: „Für uns Trainer ist es ein deutlich besseres Gefühl, wenn man eine zweite, dritte Athletin hat, die eine Doppelabsicherung auf dem Podium gewährleisten kann. Das ist uns im letzten Jahr nicht so optimal gelungen.“

In der zurückliegenden Trainingsarbeit wurde somit besonderer Wert darauf gelegt, die Lücke hinter Dahlmeier einigermaßen zu schließen. Erste Anwärterin hierfür ist die in der vergangenen Saison von einer Serie von Krankheiten gebremsten Franziska Preuß. Aber auch Vanessa Hinz verfügt über das Talent, in die vorderste Reihe vorzustoßen. Und unübersehbar sind die gewaltigen Fortschritte der Ex-Langläuferin Denise Herrmann. Die 28-jährige Sächsin gewann im Trainingslager in Sjusjoen/Norwegen ein stark besetztes internationales Testrennen. „Das war beeindruckend. Sie ist im Biathlon angekommen“, sagte Hönig über die Umsteigerin.

Gut möglich ist auch, dass Franziska Hildebrand, 2015/ 16 zweifache Saisonsiegerin, nach überstandener Bänderverletzung zu alter Leistungskraft zurückfindet. Ebenso dürfte Staffelweltmeisterin Maren Hammerschmidt ihr großes Talent noch nicht ausgeschöpft haben. „Wir wollen in allen Rennen um die Podestplätze mitlaufen“, lautet die Weltcup-Devise von Hönig. Konkreter will er sich zu seinen Zielen aber nicht äußern: „Wir versuchen, die Bälle flach zu halten.“

Dafür ist auch sein Kollege Mark Kirchner bekannt. Große Worte sind nicht seine Sache. Entsprechend nüchtern fiel auch sein erster Vorausblick auf den Olympia-Winter aus. „Wir konnten unsere Trainingslehrgänge 1 a und mit voller Kapelle erledigen können. Es läuft gut. Viel mehr braucht man dazu gar nicht sagen.“ So kennt man den knorrigen Thüringer. Und mit seiner ganz auf die Sache konzentrierten Art hat er die deutschen Biathlon-Männer im Laufe der letzten sieben Jahre Stück für Stück in den absolute Weltelite zurückgeführt. Vergangene Saison waren sie die Nr. 1 in der Nationenwertung und holten zudem zwei WM-Titel.

Die Kerngruppe bilden somit vier Einzel-Weltmeister: Benedikt Doll, Frank Lesser, Arnd Peiffer und Simon Schempp. Auf diesen Club der Champions baut Kirchner auch in Pyeongchang. Allerdings sind bislang kaum gleichwertige Ersatzleute in Sicht. Auch Kirchner sagt: „Wir haben derzeit eine Lücke.“ Als ausbaufähige Kandidaten gelten Johannes Kühn (26), Roman Rees (24) und David Zobel (21).

Der interne Konkurrenzkampf um die Startplätze dürfte zwar überschaubar bleiben. Seinen besten Vier traut Kirchner jedoch einiges zu: „Unser Anspruch sollten drei Medaillen sein. Zwei in den Einzelrennen, eine mit der Staffel.“

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