Unvergessen, die Rede von Franz Beckenbauer, gehalten beim Bankett des FC Bayern nach der krachenden 0:3-Niederlage in der Champions League in Lyon, 2001 war das.
Beckenbauer, damals Präsident der Bayern, monierte: „Lyon hat Fußball gespielt. Wir haben zugeschaut, wir haben körperlos gespielt. Das ist Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, Altherrenfußball.“ Anschließend empfahl er den Spielern, sich mit einem Berufswechsel zu befassen.
„Ich fand’s eine gute Wutrede“, sagt Werner Treimetten. Die Erwähnung der Uwe-Seeler-Traditionself durch Deutschlands bekanntesten Fußballkopf hat Aufmerksamkeit geschaffen. Werner Treimetten kann sie gebrauchen: Er managt die Mannschaft, die Aufgabe hat er von seinem Vater übernommen. Doch obwohl die Uwe-Seeler-Traditionself zum Begriff geworden ist, muss er sagen: „Der Markt ist problematisch.“
Treimetten junior war noch ein Kind, als er die großen Zeiten durch seinen Vater miterleben durfte. Wie die Uwe-Seeler-Kicker, die sich als All-Star-Team des deutschen Fußballs verstanden, an Oldie-Weltmeisterschaften teilnahmen und große Auftritte im Ausland hatten – wie 1987 bei einem Benefizspiel in Mexico-City. 95 000 Zuschauer. Das hat sich alles relativiert. Als nach der Wende in Deutschland die Traditionself im Osten gastierte, zog sie 11 000 Interessierte an, Mitte der 90er-Jahre kamen zu den Partien 4000 bis 6000 Besucher, mittlerweile liegt der Schnitt bei 1200.
Die Uwe-Seeler-Elf: Schwieriger Markt
Dabei ist die Uwe-Seeler-Traditionself immer noch eine Wucht, rein sportlich gesehen. Zu fünf Spielen ist sie in 2017 angetreten (früher gab es bis zu vierzig Termine pro Saison), die Ergebnisse lauteten 21:3, 7:3, 12:3, 3:2, 12:1. Es steckt aber auch viel Routine in der Truppe, wie die Aufstellung vom 12:3 in Bad Berleburg zeigt. Jörg Heinrich ist dabei, der mal der Rekordtransfer aus der Bundesliga nach Italien war, Thomas Helmer (Treimetten: „Treue Seele, sehr zuverlässig, kommt immer, wenn er zusagt, hat alle Spiele dieses Jahr gemacht“), Bernd Schneider, Vizeweltmeister 2002, Frank Mill, Weltmeister 1990 oder David Odonkor, Flügelrakete, Joker der Sommermärchen-WM. Auch 70er-Jahre-Legenden wie Torjäger Klaus Fischer machen noch gelegentlich mit. Uwe Seeler, der sein Team 1974 gründete, ist Delegationsleiter.
Die Weltmeister-Generation von 1990 und die Europameister von 1996 tragen die Uwe-Seeler-Traditionself immer noch, sie sind aufgewachsen mit dem Gedanken, dass es eine Ehre ist, für diese Mannschaft anzutreten. Das lässt nach. Werner Treimetten hat versucht, Oliver Kahn, Michael Ballack oder Mehmet Scholl zu gewinnen. Er bekam Absagen: „Die haben keine Lust.“ Die Stars der 2000er-Jahre wurden größer und größer – wollen sie dann irgendwo auf dem Land spielen? Wenigstens haben mit Benny Lauth und Marcell Jansen zwei jüngere Ex-Spieler ihr Interesse bekundet. Und weil er als Trainer nichts zu tun hat, ist zuletzt Dirk Schuster dabei gewesen.
Doch klar: Es fehlen die Namen, die die Fans von heute anziehen würden. Und es gebe, so Werner Treimetten, auch weniger Klubs, die bereit sind, ein Event mit der Uwe-Seeler-Traditionself zu organisieren. Man kann sie engagieren, wenn man ein Jubiläum, eine Sportplatzeinweihung oder was auch immer zu feiern hat – doch man muss sie bezahlen. Die Spieler erhalten eine Gage und die Anfahrtskosten, der gastgebende Verein muss zusehen, wie er das stemmt. Es ist ein Geschäft, „wir schreiben“, so Treimetten, „in die Verträge auch hinein, welche Spieler kommen – und wenn ein Weltmeister ausfällt, sollten wir den durch einen Weltmeister ersetzen“. Die Vereine, die seine Elf anheuern, nennt er „Kunden“, er bietet ihnen ein Coaching an, wie sie das Event gestalten könnten: Kalkulation, Versicherungen, Sponsoring, VIP-Bereich, Players’ Lounge.
Die Uwe-Seeler-Traditionself steht für eine besondere Sparte der Prominenten-Mannschaften – alle Spieler kommen aus dem Fach Fußball. Inzwischen unterhalten auch einige Klubs eigene solche Teams, der ehemalige Torwart Dieter Burdenski managt mit seiner Agentur die „DFB All-Stars“, die teils auf das gleiche Reservoir an Spielern zurückgreifen wie Seeler.
Es gab und gibt jedoch auch Prominenten-Mannschaften, in denen neben berufsmäßigen Fußballern Politiker, Schauspieler, Fernsehleute aufliefen – und zwei dieser Teams haben es zu bundesweiter Berühmtheit gebracht: der FC Schmiere aus München und die Datschiburger Kickers – der Name ist Anspielung genug – aus Augsburg.
Der FC Schmiere entstand aus der Lach- und Schießgesellschaft, Kabarettist und Sportreporter Sammy Drechsel war bis zu seinem Tod (1986) die treibende Kraft der Mannschaft, neben ihm durften die Weltmeister von 1954 spielen, Helmut Rahn, der Siegtorschütze von Bern, war öfter dabei. Anfang der 60er-Jahre nahm der FC Schmiere den Betrieb auf.
Diesem Vorbild folgten die Datschiburger Kickers, die ihr erstes Spiel gegen den FC Schmiere bestritten. Sie verloren es. Aber: Max Gutmann, der Mann hinter dem Projekt, strich das Ergebnis, weil seine Kickers da noch kein eingetragener Verein waren. Die Zeitrechnung begann mit dem zweiten Spiel, 1965. Und bis 2010, also 45 Jahre lang, blieben die Datschiburger ungeschlagen. „Darauf hat Herr Gutmann immer großen Wert gelegt. Kein Spaß: Bei einer Niederlage hätte er sich umgebracht; er ist auch nach den Spielen immer mit Trikot ins Bett gegangen “, erzählt Anita Donderer. Gutmann war Unternehmer, er hatte ein Bekleidungshaus, Anita Donderer arbeitete bei ihm, und seit über 50 Jahren ist sie die Kickers-Organisatorin. „Was uns heute fehlt, ist Gutmanns Geldbeutel“, sagt sie.
Die Berühmtheiten kommen nicht gratis
In den goldenen Zeiten füllten die Datschiburger Kickers das Augsburger Rosenaustadion, die Galas hatten bis zu 30 000 Zuschauer. Sie sahen, wie ihr Oberbürgermeister mit Helmut Haller, dem Italien-Legionär, oder den Bundesligaspielern Kurt Haseneder und Gert Fröhlich kickte. Wie Rennpilot Hermann Lang mit dem Silberpfeil einfuhr, Josef Neckermann eine Dressur- und Hänschen Frömming eine Trabvorführung gab. Gutmann war ein Förderer des sportlichen und kulturellen Lebens in der Stadt, die Kickers-Erlöse flossen guten Zwecken zu – aber die Prominenten kamen nicht umsonst. Gutmann zahlte. Nach seinem Tod 1996 floss sein Vermögen großteils in eine Stiftung. Anita Donderer: „Für uns war die Frage: Sollen wir die Kickers sterben lassen?“ Das wollte die Stadt nicht.
Um Prominente aus der ersten Reihe zu bekommen, „ist uns der Arm zu kurz“, wie Anita Donderer pointiert sagt. Die Kickers treten in kleinerem Rahmen auf, ein-, zweimal im Jahr, aber frühere FC-Augsburg-Spieler, die nun Trainer im Amateurfußball sind, haben dafür gesorgt, dass Datschiburg Nachwuchs bekommt; ein paar lokale Politiker spielen mit und die ehemalige Deutsche Meisterin im Langdistanz-Triathlon, Katja Mayer. Den ganz großen Namen wie Helmut Haller (verstorben 2012), der für die Kickers mit seinem Sohn Jürgen (war Bundesligaspieler) und Engel Marco gespielt hatte, hat man nicht mehr.
„Wir werden das Rosenaustadion nicht mehr füllen können“, weiß Anita Donderer. In den 60ern und 70ern profitierte man noch von einem überschaubaren Freizeitangebot, von einer kargen Fernsehlandschaft. Gegen die Reizüberflutung der modernen Zeiten kommt der Prominentenfußball nicht mehr an.
Auch beim FC Schmiere sind ruhige Zeiten angebrochen. Bis 2006 führte man akribisch Buch, verzeichnete 2118 Spiele, von denen 1539 gewonnen wurden, bei 11 948:6838 Toren – ein paar auch von Gastspieler Gerhard Schröder, Bundeskanzler, im Fußball „Acker“.
Noch immer wird der FC Schmiere vom Haus Lach- und Schieß aus geführt. „Ab und an findet noch ein Spiel statt“, heißt es dort. Till Hofmann, der jetzige Geschäftsführer der Bühne, schaut, dass es beim FC Schmiere weiterhin läuft.
Diese Woche vom Krankenhaus aus. Er musste operiert werden. Achillessehnenriss. Passiert beim Fußball.