München – Plötzlich stand Anthony Power inmitten der Reporterrunde. Wie vor ziemlich genau einem Jahr, als der Amerikaner überraschend auf einer Pressekonferenz auftauchte und sich mit folgenden Worten beim TSV 1860 einführte: „Hello, my name is Anthony, I’m 50 years old…“ – gefolgt von einem Rattenschwanz an Karrierestationen. Das Fußball-Business war damals neu für ihn, doch das hielt Auftraggeber Hasan Ismaik nicht davon ab, Power den Posten des Geschäftsführers beim damaligen Zweitligisten zu übertragen. Das Ergebnis dieser Episode ist bekannt: Mit seiner wenig zimperlichen Art erwarb sich Power einen vielsagenden Spitznamen („Die Axt“) und räumte den Posten erst, als der Brite Ian Ayre übernahm, auch er nur für kurze Zeit.
Inzwischen sind die Löwen Viertligist, Power ist 51 – und immer noch in München. Im Gegensatz zu Ismaiks Bruder Yahya hat er 1860 nie den Rücken gekehrt und auch ohne Job in der ersten Reihe Präsenz ausgeübt. Wie ein ehrwürdiges Schlossgespenst war er da – ohne wirklich in Erscheinung zu treten. Dass Power nicht nur geblieben ist, um seinen Bizeps zu vergrößern, hat die Öffentlichkeit erst in der zurückliegenden Woche erfahren. Offiziell ist er jetzt Co-Geschäftsführer der Merchandising GmbH (also auf einer Ebene mit Urgestein Roland Kneißl) – und ganz offensichtlich hat er sein Jahr in München auch dazu genutzt, sich ein paar Brocken Bairisch anzueignen.
„Servus zusammen“, sagte Power also am Freitag, um auf Englisch fortzufahren: „Ich habe keine Ambitionen, Geschäftsführer bei 1860 zu werden.“ Diesbezügliche Gerüchte seien falsch. „Ich bin sehr, sehr glücklich mit meinem aktuellen Job“, fügte er hinzu und war schon wieder verschwunden, ehe auch nur eine Frage gestellt werden konnte. „Schönes Wochenende“, hatte er noch schnell vor sich hingebrummt.
So läuft das bei den Löwen im Herbst. Je weiter das Jahr voranschreitet, desto mehr Aufmerksamkeit verschaffen sich die Funktionäre. In der Regel ist eine sportliche Krise der Auslöser. Diesmal liegt der Fall ein wenig anders.
Es läuft zwar nicht berauschend für Bierofkas Team, das am Sonntag in Rosenheim einen Negativlauf zu stoppen hat. Aber: Im Hintergrund liegen einfach so viele Dinge im Argen, dass es gar nicht möglich ist, sämtliche Flammen unter dem Teppich zu halten (noch dazu ohne Sport- und Mediendirektor): Da ist der Schwergewichtskampf Ismaik vs. Mey um die Macht beim Viertligisten. Da steht ein weiterer Wechsel auf dem Geschäftsführerposten an: Nach Power und Ayre wird sich auch Markus Fauser in Bälde verabschieden. Michael Scharold, bislang Buchhalter, ist Favorit auf seine Nachfolge (und eben nicht Power, wie er selber betonte). Und als wäre das alles nicht schon Konfliktstoff genug, steht es auch um das Verhältnis der beiden Gesellschafter nicht zum Besten.
Aber: Es kommt Bewegung in diese verfahrene Kiste. Lange hatte es ja so gewirkt, als würde es Robert Reisinger genießen, Ismaik eine lange Nase zu drehen – der sog. Hoppen-Antrag wurde intern als Faustpfand angesehen, um den Investor mittels einer Kündigung des Kooperationsvertrags loszuwerden. Juristen rieten auf 40 Seiten davon ab (wir berichteten). Und prompt schlägt auch der Präsident neue Töne an.
Der „Bild“ sagte Reisinger nun: „Ich will mich mit beiden Ismaiks in München treffen, denn Yahya ist genauso wichtig wie Hasan. Wir wollen dieses Treffen, schließlich gibt es viel zu besprechen.“ Die Einladung an die Ismaiks stehe. Ob ihr der nach seiner Kur möglicherweise entspannte Jordanier folgen wird, ist ungewiss. Jedenfalls kann keiner mehr Reisinger nachsagen, er hätte nicht den ersten Schritt gemacht.
Dass der 53-Jährige zunehmend genervt ist von den ganzen Spekulationen, war unter der Woche online zu erfahren. In seinem Privataccount bei Facebook schrieb er zwar, dass er kein „Facebook-Präsident“ sein wolle (wie einige seiner Vorgänger/d. Red.). Eine Sache aber wollte er loswerden, einen Appell an alle Meinungsmacher – vom Blogger bis zum Boulevardblatt: „Wenn Euch die Löwen wirklich am Herzen liegen, sollten die Publikationen stets der Hafen der Vernunft im Meer des Unsinns sein und nicht an der Lunte zündeln – denn der ausbrechende Flächenbrand ist niemals kontrollierbar.“