Schwebezustand und Kanonenfeuer

von Redaktion

Jahreshauptversammlung zeigt: Alles paletti beim FC Bayern, der ab jetzt aus einem Rohr schießt

von hanna raif

München – Uli Hoeneß war heiß, kurzzeitig richtig. Nicht nur, dass die hohen Herren des FC Bayern die Bühne im Audi Dome am Freitagabend drei Minuten vor dem offiziellen Beginn der Jahreshauptversammlung betraten, nein, der Präsident konnte es auch in den kommenden 52 Minuten bis zu seinem Auftritt kaum erwarten, ans Rednerpult zu treten. „So“, sagte Hoeneß, als er an der Reihe war – und sagte gleich: „Ich teile meinen Vortrag in zwei Teile. Erst der mit Zahlen, dann lege ich mein Blatt weg – und lege los.“ Eine Ankündigung, die auch als Drohung verstanden werden konnte. Aber ganz so schlimm kam es dann doch nicht.

Wenn man sich an die Szenen aus dem Vorjahr erinnert, war diese Versammlung des größten Fußballklubs der Welt im Jahr eins nach Hoeneß’ Rückkehr reichlich unspektakulär. 1459 statt 7152 Mitglieder waren gekommen, die Halle war alles andere als überfüllt, das Zelt im Umlauf gar nicht erst aufgestellt worden. Um kurz vor 19 Uhr herrschte gemütliche Vor-Adventsstimmung statt Neugierde und Hektik, und die Themen des Abends ergaben sich auch nicht von selbst, sondern mussten erst mal gesetzt werden. Hoeneß sagte: „Ich stehe hier als total zufriedener Mensch.“ Man kann sich sicher sein, dass er diese Aussage vor rund sechs Wochen nicht getroffen hätte.

Der 65-Jährige erinnerte gerne und ausführlich an die „Nacht von Paris, die diesen Verein hat wach werden lassen“. Noch vor Ort, nach dem desaströsen 0:3 unter Carlo Ancelotti, seien die Weichen für das gestellt worden, „was uns seitdem gelungen ist“. Die Erfolgsgeschichte von Jupp Heynckes – neun Spiele, neun Siege, „alle schweben nur noch“ – ist bekannt. Hoeneß aber machte das Debakel in Frankreich aber auch dafür verantwortlich, „dass Karl-Heinz und ich wieder zusammen gekommen sind“.

Rummenigge sprach davon, „dass wir zwei meinungsstarke Menschen sind, aber wir haben unsere tief verbundene Freundschaft wieder erneuert“. Im Hintergrund liefen Bilder, die die beiden Alphatiere als Spieler zeigten, und Hoeneß versicherte, dass „kein Blatt Papier“ mehr zwischen ihn und den Mann passe, der für den FC Bayern „die Kanonen schießt. Hasan (Salihamidzic, d.Red.) und ich reichen ihm die Kugeln“. Das bedeute, „dass all die, die sich mit uns anlegen, sich wieder warm anziehen müssen“. Ein besonderer Gruß ging an dieser Stelle an den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel.

Es gibt keine Jahreshauptversammlung, die ohne Spitzen auskommt. Und sowohl Hoeneß als auch Rummenigge waren bemüht, ihren Weg gegen alle Kritiker zu verteidigen. Eine willkommene Zielscheibe war der kommende Champions League-Gegner PSG, aber auch alle anderen von Investoren finanzierten Klubs bekamen ihr Fett weg Hoeneß: „Heute spielt man nicht mehr gegen einen Gegner, sondern gegen ganze Staaten.“ Rummenigge: „Neymar und Mbappe waren doppelt so teuer wie die Allianz Arena.“ Der FC Bayern „way of life“ – „konkurrenzfähig und familiär“ – sei in der globalen Fußballwelt eine Ausnahme. Die „Rentner-Band“ habe noch genug „im Kopf“, ihn umzusetzen. Franck Ribery und Manuel Neuer, in Reihe eins sitzend, applaudierten artig neben Hasan Salihamidzic – dem Mann des Abends.

Die ersten Standing Ovations für ihn hatte es nach exakt zwei Minuten gegeben, und auch später wurde der 40-Jährige auffallend viel gelobt. „Er ist der beste Sportdirektor, den ich seit Uli Hoeneß beim FC Bayern erlebt habe“, sagte Rummenigge. Und Hoeneß selbst sprach „Brazzo“ das Vertrauen aus, „den FC Bayern in die Zukunft zu führen“. Dafür werde er „ein top-modernes Scouting-System aufbauen“.

Rummenigges Worte („Alles wunderbar“) passten zu diesem – vergleichsweise langweiligen – Abend. Dass Karl Hopfner noch zum Ehrenmitglied ernannt wurde und Umgestaltungen in der Arena (rote Sitze im Mittelrang) angekündigt wurden, passte. Alles nett und wunderbar – aber richtig „heiß“ musste man heuer nicht werden.

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