Menschen, die sich schon mal das Kreuzband gerissen haben, kennen dieses Geräusch, es verfolgt einen noch Jahre nach dem ohnehin folgenschweren Unfall. Wenn dem Band, das das Knie gewissermaßen zusammenhält, zu viel zugemutet wird, dann knallt es, und zwar richtig. Im Radio gab es jahrelang zur Skisaison eine Werbung, die genau mit diesem Schnalzen kokettierte. Man hörte aus dem Lautsprecher nur dieses unschöne, für manche gar schauderhafte Geräusch – und ein paar Sekunden später den Slogan: „www.knie.de“
Kreuzbandrisse gehören auf der Piste dazu, leider. Wenn die Füße in Schuhen und Bindungen fixiert in die eine Richtung wollen, der Ski aber in eine andere, passiert das, was man „typische Kreuzbandbewegung“ nennt. Beim Laien bzw. Hobbysportler muss man sagen: Eigenes Risiko. Wenn die Pistenärzte aber im Ski-Weltcup zu den Verletzten gerufen werden, sollte man sich langsam fragen: Wer ist Schuld daran, dass das nächste Kreuzband gerissen ist?
Nun hat es also auch Felix Neureuther erwischt. „Highsider“ nennt man den Sturz, der für die deutsche Olympiahoffnung fatale Folgen hatte, – auf gut deutsch: Es hat ihn g’scheid ausgehoben. Das kann im Riesenslalom(-Training) passieren wie in den Speed-Disziplinen. Kreuzbandrisse sind an der Tagesordnung in dem Sport, in dem erst kürzlich ein Todesopfer betrauert wurde.
Der Unfall von David Poisson war schrecklich und eine Ausnahme, der Franzose war der erste Weltcup-Fahrer seit 16 Jahren, der ums Leben kam. Der Trend zu immer mehr Risiko und infolgedessen Horror-Stürzen und Verletzungen ist aber nicht zu übersehen. Jedes Jahr müssen allein mehr als 20 Fahrer die Saison wegen Kreuzbandrissen vorzeitig beenden. Geschwindigkeiten bis weit über 100 Kilometer pro Stunde, künstlich vereiste Pisten, bewusst kniffligere Kurse und topmodernes Material sorgen dafür, dass die Ski-Asse stets am Limit reiten. Der Verlust der Ideallinie tut da halt oft weh.
Der Winter ist noch jung – und genau deshalb sollte sich ein Appell lohnen: Obwohl „schneller, höher, weiter“ ein schönes olympisches Motto ist, muss man es nicht bis ins Unendliche steigern. Man kann Renndirektoren und Pistenbauer nur zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit der Präparierung der Strecke und der Beachtung aller äußeren Umstände auffordern. Denn Zuschauer kommen auch gerne (sogar: noch lieber), wenn alle Teilnehmer einen vergleichsweise unspektakulären Kurs durchlaufen, dafür aber heil im Ziel ankommen.
Der Skisport lebt von schnellen Fahrten auf tollen Pisten und nicht von Bildern seiner Protagonisten an der Seilwinde zum Hubschrauber. Dass man das unschöne Geräusch an der Strecke nicht hört, weil es drumherum zu laut ist, macht die Sache nicht besser.