München – Auch ein Franck Ribery wird nicht jünger. Der Bart des Franzosen, dessen Hang zu Späßen auch mit 34 noch das Kind im Manne zeigt, wird bereits von ersten grauen Haaren durchzogen. Wenn Ribery heute Fußball spielt oder anschließend Interviews gibt, sind sein Alter und die ungeklärte Zukunft beim FC Bayern immer ein großes Thema. Wenn Kingsley Coman (21) spielt, geht es ebenfalls um die Perspektive. Bei Riberys Landsmann jedoch hat man den Eindruck, als nehme seine Karriere gerade erst so richtig Fahrt auf.
Am Samstag kurz vor dem Abpfiff kam der Ältere, frisch von einem Außenbandriss genesen, für den Jüngeren aufs Feld. Die Leute jubelten, wie sie immer jubeln, wenn sie Ribery begrüßen, der seit Samstag mit 235 Bundesligaeinsätzen ausländischer Rekordspieler der Bayern ist. Aber diesmal galt der feurige Applaus zweifelsfrei auch Coman. Er hatte eine furiose Partie gezeigt, ein Tor auf brillante Art erzielt und den Elfmeter zum 3:1 herausgeholt. Ohne ihn und seine Akzente hätte diese Partie noch zäh werden können.
Einmal, Mitte der ersten Halbzeit, täuschte Coman die Annahme eines Balles an, ließ ihn dann aber durch und drehte sich um seinen Gegenspieler. Leichtfüßig, wie er ist, kam er trotzdem mühelos an die Kugel und hatte gleich ein paar Meter Vorsprung, die er für eine giftige Attacke nutzte. „Wenn er die PS – und er hat wirklich ein paar PS – auf den Rasen bringt, dann hat es jeder Gegner schwer“, lobte später Thomas Müller. Selbst in einem Ensemble wie dem des FC Bayern können solche Fähigkeiten beeindrucken.
Auftritte wie diesen hat es schon früher gegeben. Als die Bayern sich vor zwei Jahren im Champions League-Achtelfinale gegen Juventus Turin in die Verlängerung retteten (und letztlich gewannen), lag das nicht zuletzt an Coman, der mit seiner Schnelligkeit die Turiner Abwehr förmlich zerriss. Doch zu mehr als einer Andeutung seines Potenzials hat es selten gereicht. Nach zwei Jahren in München stand der Name Coman für Stagnation, Phlegma und ein unerfülltes Versprechen. Dass er nach zweijährigem Leihgeschäft überhaupt fest verpflichtet wurde, war keineswegs selbstverständlich.
Umso erfreulicher fand es Jupp Heynckes am Samstag, „wie sich Kingsley bei uns entwickelt“. Genau genommen machte er zwar auch zu Saisonbeginn bei Carlo Ancelotti gute Spiele. Doch unter dem Italiener, der nicht als großer Talentpfleger bekannt ist, kam der Franzose oft von der Bank. Erst Heynckes ließ ihn länger ran. Ihm blieb gar nichts anderes übrig. Im letzten Spiel vor seinem Amtsantritt hatte sich Franck Ribery schwer am Knie verletzt.
Seitdem entwickelt sich Coman auf dem Flügel zur festen Größe, die schmerzlich vermisst wird, wenn sie mal ausfällt wie zuletzt wegen einer Fußverletzung. „Auch in seinen Anschlussaktionen hat er sich verbessert“, attestierte Joshua Kimmich. Zu den schnellen Beinen kommt allmählich das Gefühl für die richtige Flanke oder den exakten Torschuss. Selbst Ribery lobte den Landsmann für seine Fortschritte: „Ich freue mich für ihn. Das ist super.“ Auch wenn es bedeutet, dass ihm ein ernsthafter Konkurrent auf der linken Seite erwächst. mb