Stöger verliert den Herzensjob

von Redaktion

Kölner Bosse ziehen die Reißleine, geben dabei aber keine gute Figur ab – Wut auf „Moralapostel“

von holger schmidt und dietmar fuchs

Köln – Der Eiertanz hat ein Ende: Der 1. FC Köln hat sich zum wohl unglücklichsten aller Zeitpunkte von seinem Rekord-Trainer Peter Stöger getrennt. Einen Tag nach dem 2:2 bei Schalke 04 beurlaubte der Tabellenletzte den Erfolgscoach der vergangenen vier Jahre trotz eines bis 2020 laufenden Vertrags.

Das Kuriose: Bei den Fans gilt Stöger als Bauernopfer und trotz der Serie von 14 Liga-Spielen ohne Sieg als Gewinner, weil er erhobenen Hauptes geht. Interimstrainer bis Winter ist der bisherige U-19-Coach Stefan Ruthenbeck, für die dauerhafte Nachfolge gilt Markus Anfang vom Zweitliga-Spitzenreiter Kiel als Favorit.

Stöger hatte sich quasi am Donnerstag schon selbst entlassen, indem er vom Verein eine klare Ansage gefordert und gleichzeitig einen Werteverlust im Verein beklagt hatte. Die Vereins-Bosse sahen sich zum Handeln gezwungen – und müssen sich nun geballter Fan-Wut stellen. „Es gibt eine Reihe von Pseudo-Moralaposteln in der Stadt, die uns respektlosen Umgang mit Peter Stöger vorwerfen“, stellte Klubchef Werner Spinner ernüchtert fest.

Die Stimmung bei den Fans war immer noch pro Stöger – und seine Sympathiewerte stiegen in den Wochen der Krise sogar noch an. Auch Vereins-Idol Lukas Podolski huldigte Stöger, der mit 1635 Tagen so lange wie keiner seiner Vorgänger im Amt war. „Danke Peter!“, schrieb der Weltmeister via Twitter: „Für das, was du für den FC gemacht hast, die Stadt und die Menschen hier. Köln wird dich immer im Herzen haben und nicht vergessen – da bin ich sicher!“

Der Coach bestätigte gestern, dass die Entscheidung über seine Beurlaubung schon vor dem Anpfiff in Gelsenkirchen gefallen war. „Am Freitag war klar, dass das Spiel auf Schalke unser letztes wird“, sagte der Österreicher. Geschäftsführer Alexander Wehrle sagte: „Es war klar zwischen uns im Vorfeld dieses Spiels abgestimmt.“

In das derzeit unglückliche Gesamtbild passt, dass Ruthenbeck seinen U-19-Spielern schon vor der öffentlichen Bekanntgabe seinen Aufstieg zu den Profis verkündete. Damit zog sich der frühere Zweitligatrainer des VfR Aalen und der SpVgg Greuther Fürth vor der ersten Einheit als Interimscoach den Ärger der Bosse zu. „Natürlich ist das nicht glücklich. Punkt“, sagte Spinner.

Auch bei der Suche nach einem Sportchef und damit Nachfolger des am 23. Oktober geschiedenen Jörg Schmadtke gibt der FC derzeit alles andere als eine gute Figur ab. Am Samstag wurden Gremiums-Mitglieder beim Gespräch mit Dietmar Beiersdorfer in einem Kölner Hotel gesichtet. „Vielleicht wollte er auch den Weihnachtsmarkt besuchen“, sagte Spinner nur.

Fest steht: Die Vakanz in der sportlichen Führung hat sich bemerkbar gemacht. Die Vereinsführung verpasste seitdem sowohl jeden sinnvollen Zeitpunkt einer Entlassung als auch jede Chance zum klaren Bekenntnis zu Stöger. Wehrle bestätigte, dass man dem Coach Anfang November nach dem 0:3 gegen Hoffenheim gesagt habe, dass man in Gespräche mit anderen Trainern einsteige: „Das war für ihn in Ordnung. Er hat das sogar eingefordert. Das war sehr professionell.“

Dass die Niederlage in Mainz durch eine klare Fehlentscheidung des Schiedsrichters zustande kam, rettete Stöger damals den Job. „Und seitdem sind einige Dinge passiert“, sagte Wehrle: „Dinge haben sich verändert, auch bei Peter.“ Zu allem Überfluss verzettelten sich die Klub-Bosse in einem öffentlichen Disput mit Sportchef-Kandidat Horst Heldt von Hannover 96. Angeblich: „Ein ganz klarer Impuls von ihm.“

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