Hongkong – Es hat angenehme 20 Grad in Hongkong. Auch abends noch. Es ist Renntag in Happy Valley, wie jeden Mittwoch. Doch der erste Mittwoch im Dezember bietet seit 1998 Jahren etwas Besonderes: die Longines International Jockey Championchip. Acht Reiter der absoluten Spitzenklasse aus Hongkong und dem Rest der Welt kämpfen um Ehre und umgerechnet 60 000 Euro Prämien.
Diesmal setzte sich vor knapp 26 000 Zuschauern mit Zac Purton ein Vertreter der heimischen Jockeygilde durch. Dabei hatte es nach den ersten beiden Wertungsläufen so ausgesehen, als würde der zweifache englische Jockey-Champion Silvestre De Sousa triumphieren können. Er musste sich mit Rang zwei zufriedengeben. Ryan Moore, zweifacher Sieger dieses Wettbewerbs, hatte diesmal keine Chance. Mit Andrasch Starke hat diesen Wettbewerb übrigens auch ein Deutscher gewonnen – sogar zweimal. Allerdings ist schon länger kein Reiter aus Deutschland mehr zu diesem Event eingeladen worden.
Die Rennbahn liegt mitten in der Stadt, eingebettet in einen Halbkreis aus riesigen Wolkenkratzern, die schmal sind wie ein Steckerl-Eis. Sie haben bis zu 100 Stockwerke. Kein Wunder bei den Grundstückspreisen – und dem wenigen Platz.
Der Name der Galopprennbahn Happy Valley, eine der beiden Venues des Hongkong Jockey Club (HKJC), ist Programm. Hier wird Party gemacht, mit Live-Rockmusik und Miss-Wettbewerben. Die Rennen sind Sport der eher zweiten Güte, aber mit jeweils mindestens 120 000 Euro dotiert. Der Umsatz ist astronomisch hoch. 1,3 Milliarden Hongkong Dollar, 142 Millionen Euro gingen am WM-Tag in den Toto. Zum Vergleich: Auf Deutschlands umsatzstärkster Galopprennbahn in Iffezheim bei Baden Baden wäre man heilfroh, wenn ein Hunderstel davon an einem Renntag durch die Kassen laufen würde. Auf einen Schlag bedeutete das für Hongkongs Steuerbehörde eine Einnahme von 15,5 Millionen Euro.
Riesige Flutlichtmasten sorgen für Licht wie am Film-Set. Die elegant geschwungene, etwa 250 Meter lange Tribüne mit ihren nach VIP-Status unterteilten sieben Ebenen erstreckt sich über fast die ganze Zielgerade. Dort speist man erstklassig: Hummer, Jakobsmuscheln, Wildlachs und Rinderfilet gibt es auf Flatrate. Unten in den Biergärten, wo sich das gemeine Wettvolk tummelt, werden Zwei-Liter-Kannen mit japanischem Bier ausgeschenkt. Der Spaß kostet umgerechnet 24 Euro. Bald ist Stimmung wie in der Löwen-Fankurve. Die Rennen sind wegen des von Beginn an hohen Tempos immer ein Spektakel. Geritten wird mit harten Bandagen.
In Happy Valley sind die Besucher jung und feierlustig. Da so ein Nachwuchszocker im Schnitt etwa 50 000 Euro pro Saison umsetzt, hat der CEO des HKJC, der Kölner Winfried Engelbrecht-Bresges, für die jungen Erwachsenen ein entsprechendes Angebot an interaktiven Wetttools entwickeln lassen, die auch den Spieltrieb befriedigen. Der HKJC hat das Monopol auf Wetten aller Art. Das Geld wandert ausschließlich in den Toto, Buchmacher sind in Hongkong verboten.
Die Umsatzzahlen des Clubs erreichen gigantische Höhen. In der Saison 2016/17 waren es 218 Milliarden Hongkong Dollar (etwa 23 Milliarden Euro), zehn Prozent mehr als in der Saison davor. Bei den Pferdewetten flossen alleine 117,4 Milliarden Hongkong Dollar durch analoge und digitale Kassen. 84,5 Prozent gehen als Gewinne an die Wetter zurück. Vom Rest wird unter anderem der laufende Betrieb der Organisation finanziert – rund 20 000 Mitarbeiter wollen bezahlt sein. Außerdem investiert man permanent in Verbesserungen der beiden Rennbahnen. Derzeit wird im Norden von Sha Tin, dort ist die andere Bahn des HKJC, ein riesiges neues Stall- und Trainingsgelände gebaut.
Mit 21,7 Milliarden Dollar wurde zudem aktuell das Steuersäckel in Hongkong gefüllt, was den HKJC zum größten Zahler macht. 7,6 Milliarden Hongkong Dollar steckte der Club, eine Non Profit Organisation, in der vergangenen Saison in lokale soziale Projekte wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen oder Altenheime. Dazu floss fast die gleiche Summe in einen Charity Trust, aus dem vor allem kulturelle und educative Projekte finanziert werden. Kein Wunder, dass der Sozialhaushalt der Stadt ohne den HKJC nicht mehr zu stemmen wäre. Das weiß auch die Regierung in Peking, und so lässt man den Jockey Club bisher unbehelligt. Auch wenn der Griff aus China auf Hongkong enger wird.
Und jetzt kommt der nächste große Zahltag. Am Sonntag werden rund 100 000 Besucher auf der Rennbahn Sha Tin bei den Longines Hongkong International Races miterleben, wie sich die weltweite Elite der Galopper um das in den vier Gruppe-I-Rennen ausgeschüttete Preisgeld von 83 Millionen Hongkong Dollar (etwa 9,7 Millionen Euro) streitet. Deutsche Galopper sind nicht dabei – sie wurden gewogen und als zu leicht befunden. Lediglich Dschingis Secret, Guignol oder Iquitos wären eingeladen worden. Doch für ersteren war nach dem Start Anfang November in München-Riem die Saison vorbei, und die beiden anderen sind vor drei Wochen erfolglos im Japan Cup gelaufen.
Dafür sind erstmals Schweizer Farben vertreten: Blond Me aus dem Trainingsquertier des Engländers Andrew Balding. Die fünfjährige Stute im Besitz der Züricherin Barbara Keller sollte durchaus Chancen im Hongkong Cup haben. Sie mag festen Boden und schnelle Rennen. Beides wird sie bekommen.