München – Wie geht es weiter mit dem Nachwuchs des TSV 1860? Dienstagabend gab der Regionalligist offiziell die Trennung von Wolfgang Schellenberg, 46, bekannt. „Wir gehen als Freunde auseinander“, ließ Geschäftsführer Markus Fauser in bestem Vertragsauflösungsdeutsch mitteilen: „Nach einer gemeinsamen Analyse der aktuellen Situation sind wir übereinstimmend zu dem Entschluss gekommen, dass ein Wechsel auf der Position des NLZ-Leiters zu neuen Impulsen im Verein und der Jugendarbeit führen wird.“
Und die sind bitter nötig, wie ein Blick in die Jugendsparte zeigt. Im Sommer stiegen sowohl die U 19 als auch die U 17 aus der Bundesliga ab. Während für die U 19 der Wiederaufstieg bei acht Punkten Rückstand auf Tabellenführer Ingolstadt illusorisch ist, liegt die U 17 nur drei Punkte hinter dem Spitzenreiter (ebenfalls Ingolstadt). Fairerweise muss man dazu sagen, dass viele U 19-Talente zusätzlich in der U 21 spielen und daher eine Doppelbelastung haben. Dennoch wird der älteste Nachwuchs kritisch gesehen, auch intern.
Trainer Christian Wörns hatte seiner U 19 kürzlich Charakterdefizite unterstellt. Doch nicht nur beim Blick auf die Tabellen zeigt sich die akute Misere, in der sich der Nachwuchs befindet. Die Zeiten, als man dem Erzrivalen FC Bayern die Talente vor der Nase wegschnappte, sind längst vorbei. Mittlerweile hat auch die SpVgg Unterhaching den Löwen den Rang abgelaufen. Sowohl in der U 19, als auch in der U 17 spielt Haching in der Bundesliga.
1860 streitet sich mit Ingolstadt, Augsburg und Nürnberg (spielen beide auch in der Junioren-Bundesliga) um die restlichen Talente. Der schlechte Gesamtzustand des weißblauen Nachwuchses hat sich bereits herumgesprochen. Chefscouts von anderen Vereinen beobachten die Löwen nicht mehr so häufig wie früher – das zumindest behaupten Insider.
Kritiker werfen Ex-Chef Schellenberg vor, dass er vor allem von der Vorarbeit seiner Vorgänger Jürgen Jung und Ernst Tanner gelebt haben soll. Außerdem hätten in der jüngeren Vergangenheit Spieler wegen und nicht trotz ihm den einstigen Vorzeige-Talentschuppen verlassen. Ihm wird zudem vorgeworfen, bei der Wahl der Jugendtrainer kein gutes Händchen mehr gehabt zu haben.
Auf der anderen Seite müssen sich aber auch die Verantwortlichen im Verein fragen, ob sie die Monstranz der glorreichen 1860-Jugend zu lange vor sich her getragen haben. Vor zehn Jahren belief sich der Etat für die Jugend noch auf 1,8 Millionen Euro. Zuletzt soll Schellenberg weniger als der Hälfte zur Verfügung gehabt haben. Die Mehrzahl der Spieler in den ältesten Nachwuchsteams verdient 250 Euro im Monat. In Zeiten, in denen junge Spieler anderswo fürstliche Gehälter kassieren können, ist das nicht sonderlich attraktiv. Noch dazu in einer teuren Stadt wie München.
Doch damit nicht genug. Spieler der jüngeren Teams müssen ihre Ausrüstung selber besorgen – beim FC Bayern nebenan ist Rundum-Service angesagt. Dafür kann Schellenberg aber genauso wenig wie für den Abstieg der Zweitligaprofis. Die Perspektive, bestenfalls in der 4. Liga zu spielen, sorgt bei Talenten nicht gerade für Jubelstürme.
Auf der einen Seite verlieren die Löwen also einen verdienten Mitarbeiter. Auf der anderen ist was an Schellenbergs Abschieds-Statement dran: „Es ist für beide Seiten Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ Dieter Märkle, 55, Topfavorit auf die Nachfolge hat gestern seinen Vertrag bei den Stuttgarter Kickers aufgelöst. florian fussek