Behaupte noch mal einer, Julian Nagelsmann sei ein nassforscher, zu Überheblichkeit neigender Trainer. Der Dienstagabend hat gezeigt, dass Hoffenheims ambitionierter Coach zumindest in der Lage ist, aus Fehlern zu lernen. Als die Paparazzi Nagelsmann, 30, auf der Tribüne des Dortmunder Stadions orteten, dürfte der erste Reflex gewesen sein: Da schau her! Erst biedert er sich bei Bayern an, jetzt bei der Borussia, die ja angeblich schon mit dem Shootingstar plant. Auflösung fand, wer den Bundesliga-Spielplan intus hat: Nagelsmann spionierte im Hinblick auf das Hoffenheimer Hinrundenfinale am Samstag in Dortmund. Und er trug auch keinen gelben Mantel – sondern unverfängliches Dunkelblau.
Gesehen hat Nagelsmann ein schwarzgelbes Team, das als BVB angezogen war, aber an Köln erinnerte – zumindest an den FC der ersten Stöger-Jahre. Erwartungsgemäß war es kein Offensivspektakel, das der österreichische Nothelfer von den verunsicherten BVB-Stars verlangt hatte, sondern das kleine Einmaleins des Fußballs: Kompakt stehen, nicht ganz so offensiv verteidigen. Ein bisschen weniger Tempo zugunsten von einem Plus an Kontrolle.
Nagelsmann, der Taktikexperte, dürfte wissend genickt haben. Gestaunt haben dürfte dagegen Peter Bosz, dem BVB-Fans anstandshalber noch ein paar Dankesplakate gewidmet hatten: So leicht geht das, die Borussia in defensiver Hinsicht zu zähmen? Ja, zeigte Stöger: So leicht geht das. Neu für ihn war nur, dass sein 0:0-Fußball nicht ebendieses Ergebnis lieferte, sondern einen 2:0-Sieg. Angesichts der gewaltigen Offensivqualität, die in Dortmunds Kader schlummert, war aber auch das kein Wunder.
Einem Wunder glich eher, dass es ein so spektakulär besetztes Team geschafft hat, acht Punktspiele in Folge sieglos zu bleiben, eine Champions League-Runde mit Nikosia ohne Dreier abzuschließen und zwischenzeitlich gar aus den Europapokal-Rängen zu fallen. Stöger müsste schon arg viel falsch machen, wenn er es mit diesem Kader nicht schafft, zumindest wieder in die Top 3 der Liga vorzustoßen.
Spannend wird in dieser Hinsicht nicht nur der kommende Spieltag, an dem Stögers BVB die TSG-Nagelsmänner empfängt. Noch spannender dürfte das Rückspiel werden, am 34. Spieltag: Nagelsmann vs. Stöger – für beide Trainer womöglich eine Abschiedsvorstellung. Stögers Mission endet an diesem 12. Mai 2018. Und Nagelsmann könnte danach doch noch in den schwarzgelben Mantel schlüpfen.